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Zur freiheitlichen Begründung des Lieferkettengesetzes

Deutschland hat nun ein Lieferkettengesetz. Nach zahlreichen Lobbyaktivitäten, aber auch Bedenken aus dem akademischen Bereich ist es nun ein verhältnismäßig bescheidenes, wirkungsarmes Gesetz für eine überschaubare Anzahl von Unternehmen geworden. Dennoch ist die Empörung über den bürokratischen Aufwand, aber auch gegen unvorhersehbare Klagemöglichkeiten groß. Im Folgenden geht es nicht um die Details des Gesetzes, und auch ich bin der Ansicht, dass deutsche Regulierungsgründlichkeit, gepaart mit eklatanter Rückständigkeit in Sachen Digitalisierung und Unkenntnis der Lage der Adressaten der Regulierungen, zu sehr transaktionskostenträchtigen Lösungen führt. Stattdessen möchte ich wenige grundsätzliche Überlegungen anführen, die auf die Kritik eingehen, dass es ja wohl nicht sein könne, dass deutsche Unternehmen für die Versäumnisse der Politik in fremden Ländern in Haftung genommen werden. Ich gehe der Frage nach, ob „wir“, d.h. unsere Unternehmen dafür verantwortlich sein können, wie in anderen Ländern mit Umwelt, Arbeit und Menschenrechten umgegangen wird. Ist das überhaupt ein wirtschaftliches Thema, oder muss das nicht politisch in den entsprechenden Ländern gelöst werden?

Ich nehme die Pointe gleich vorweg: Ja, natürlich tragen „wir“ und somit auch deutsche Unternehmen Verantwortung, und ja, es ist ein wirtschaftliches Thema. Und das lässt sich ganz altmodisch ordnungsökonomisch begründen. Den Salbader um angebliche linksgrüne Weltrettungs-Ideologien werde ich höflich ignorieren.

Unsere Gesellschaft hat klare Vorstellungen und Präferenzen bezüglich Menschenrechte und Mindeststandards für angemessene Arbeitsbedingungen, und wir haben dementsprechende Regeln für die Produktion hierzulande. Nun erfolgt die Produktion aber heute in globalen Wertschöpfungsketten, die sich oft über viele Länder erstrecken, und die für die letzte Produktionsstufe oft gar nicht mehr nachvollziehbar sind. Daraus resultiert eine mangelnde Sichtbarkeit der Konsequenzen von Produktions- und Konsumentscheidungen, die an ganz entfernten Stellen ausgelöst werden, was zu einer Art „Verantwortungsdiffusion“ führt. Dies untergräbt die Souveränität, für die eigenen Handlungskonsequenzen Verantwortung tragen zu können. Zumindest die Kenntnisnahme der Konsequenzen einer Handlung durch Transparenz der Lieferkette ist ein Schritt in Richtung der Wiederherstellung dieser Souveränität.

Selbstverständlich gehört es zum Kernverständnis von Freiheit, auch die Verantwortung für die Konsequenzen der eigenen Entscheidung zu übernehmen, auch wenn diese andere Menschen in anderen Ländern betreffen.

Die durch hochgradige globale Arbeitsteilung geschaffene Informationsasymmetrie bezüglich der Handlungskonsequenzen ist bereits ein Problem für die Allokationseffizienz von Märkten, die ich an anderer Stelle diskutiert habe. Die damit einhergehende Verantwortungsdiffusion, die dadurch gerechtfertigt wird, dass ja andere Länder bzw. deren Regierungen dafür zuständig seien, ist in gewissem Sinn eine Zersetzung der Grundlagen des Liberalismus, weil Entscheidungsfreiheit und Verantwortung entkoppelt werden, indem man mit dem Finger auf andere zeigt.

Hinzu kommt, dass Preise nicht allein Knappheiten widerspiegeln, sondern auch asymmetrische Machtverhältnisse: Monopole extrahieren Konsumentenrente, Monopsone extrahieren Produzentenrente. Je unelastischer die Nachfrage- bzw. Angebotsseite, desto größer ist die Rentenextraktion. Im Fall des unelastischen Arbeitsangebots im globalen Süden – aufgrund der Armut muss jeder Job angenommen werden – beträgt die Rentenextraktion bis zu 100%, es bleibt also ein reiner Reservationslohn. Dazu braucht man keine „linken“ Theorien, das ist simpelste neoklassische Mikroökonomik aus Econ101-Kursen.

Komparative Vorteile, die zu Spezialisierung und globalen Wertschöpfungsketten führen, können deshalb auch dadurch entstehen, dass Anbieter in einem Land sehr geringe Marktmacht haben und deshalb jeden Preis akzeptieren müssen, der die Grenzkosten gerade deckt. So können Lieferketten zu „Rentenextraktionsketten“ werden, die den geschaffenen Mehrwert einseitig verteilen, und einige Glieder der Kette keinen substanziellen Mehrertrag gegenüber der Subsistenzwirtschaft haben. Möchten sich deutsche Unternehmen gerne daran beteiligen? Möchten sie es zumindest gerne wissen? Nein? Aber ich, der Nachfrager, möchte es gerne wissen.

Macht steht Wettbewerb entgegen. Wenn – durchaus richtig – von den Segnungen des Wettbewerbs auf globalen Märkten geredet wird, so wird leicht vergessen, dass in weiten Teilen dieser Wettbewerb nur eingeschränkt existiert. Größere Konzerne auf Rohstoffmärkten oder lokalen Arbeitsmärkten verhalten sich logischerweise anders als kleinere Unternehmen im harten Wettbewerb im Endproduktbereich. Hier wäre eine globale Wettbewerbspolitik vonnöten, die es mangels globaler rechts(durch)setzender Institutionen aber nicht gibt. Daher kann man als second-best zumindest Unternehmen im eigenen Land dazu anhalten, diese Problematik zu erkennen und entsprechende Verantwortung zu übernehmen, wie sie den hier allgemein akzeptierten Wertegrundlagen entspricht.

Wir könnten einer globalen freiheitlichen Ordnung einen Schritt näher sein und einen Schritt weiter weg von einer „organisierten Unverantwortlichkeit“ (Ulrich Beck).

Über die handwerklichen Unzulänglichkeiten des Gesetzes und den Grenzen der Kontrollierbarkeit von Vor-Vor-Vorprodukten, über die das deutsche Unternehmen zu vertretbaren Kosten kaum etwas wissen kann, sowie auch die Grenzen von Verantwortbarkeit, wenn viele eine Teil-Verantwortung tragen, wird an anderer Stelle noch zu diskutieren sein.

Gemeinwohlökonomie

Vielerorts wird gefordert, dass bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten gemeinwohl-orientiert sein sollen, oder dass sogar das ganze Wirtschaftssystem oder “Wirtschaftsmodell” gemeinwohl-orientiert sein solle. In aller Regel wird dies als ein Gegensatz zu “privaten Gewinninteressen” gesehen. Dort, wo Akteure ihren (meist als “kurzfristig” apostrophierten) Gewinninteressen nachgehen, käme angeblich das Gemeinwohl zu kurz. Gemeinwohl-Orientierung wird daher als Abwehr und Alternative gegenüber dem gesehen, was viele als “kapitalistische Marktwirtschaft” bezeichnen. Damit löst in gewissem Sinn der Gemeinwohlbegriff als Antipode zum Kapitalismus den althergebrachten Sozialismusbegriff teilweise ab, er kommt ohne dessen ideologischen Schrecken daher (denn wer könnte schon gegen Gemeinwohl sein), und baut somit Brücken in das bürgerliche Milieu. Dort, wo Gemeinwohl-Orientierung gefordert wird, geht es dann auch – in der sanften Variante – mit Marktregulierungen einher, kann aber auch in Richtung Verstaatlichung bzw. staatlichen Angebot öffentlicher Leistungen verstanden werden, etwa im Bereich Krankenhäuser.

Dementsprechend sollte man mehreren Fragen nachgehen: Sind Gemeinwohl und Eigennutz bzw. Gewinninteresse per se ein Gegensatz? Falls es Fälle gibt, wo man einen solchen Gegensatz erkennt, welche Rolle spielen dann die bereits bekannten Funktionsdefizite von Märkten, denen man mit den normalen Bordmitteln der Sozialen (und Ökologischen) Marktwirtschaft begegnen kann ohne gleich die Systemfrage stellen zu müssen? Und schließlich: Was ist überhaupt Gemeinwohl und wer legt oder stellt das fest?

Güter und Dienstleistungen werden produziert und angeboten, weil sie jemandem Nutzen stuiften, der deshalb eine Tauschbereitschaft dafür hat. Wird dieses “Nutzen stiften” plötzlich zum Gemeinwohl, wenn es sehr viele gibt, denen dieses Gut Nutzen stiftet? Tragen Bäckereien zum Gemeinwohl bei? (Falls ja, auch rednite-orientierte Bäckerei-Ketten?) Wieso gehört z.B. die medizinische Versorgung im Krankenhaus zum Gemeinwohl, der Kauf eines Fahrrades oder der Haarschnitt nicht? Wenn der Landwirtschaftsbetrieb konventionell Kartoffeln anbaut und verkauft, ist das dann eigennutz-orierntiert, während eine ökologische Produktionsweise gemeinwohl-orientiert ist? Und was ist, wenn man als Öko-Bauer sogar noch mehr Geld verdient, eine höhere Rendite hat? Wenn der Schlachtbetrieb hohe Renditen abwirft, weil Billigstlöhne gezahlt werden, wird man wohl kaum ein Gemeinwohl-Label bekommen, denn dafür müssten ja hohe (“faire”) Löhne selbstverständlich sein ebenso wie betriebliche Mitbestimmung. Sind dann also beispielsweise Volkswagen oder BMW gemeinwohl-orientiert, denn dort werden hohe Löhne gezahlt und die Sozial- und Mitbestimmungsstandards suchen ihresgleichen in der Industriegeschichte?

Kommen wir exemplarisch auf die Behandlung in einem staatlichen Krankenhaus zurück: Ist diese gemeinwohl-orientiert, weil das Krankenhaus keine Gewinne abwirft und durch Steuergelder gestützt werden muss? Dieselbe Behandlung bei einem privaten Träger ist es dann aber nicht, weil dieser eine Rendite erzielt? Oft wird hier hinzugefügt: Das Geld der Beitragszahler müsse “im System” bleiben statt in die Renditen der privaten Krankenhausbetreiber zu fließen. Zunächst mal aber bleibt das Geld niemals “im System”, sondern wird ausgegeben für Personal, Medikamente, medizinisches Gerät usw., d.h. es entsteht irgendwo ein rein privates Einkommen bei denen, die letztlich die Dienstleistung hergestellt haben, einschließlich der Pharmakonzerne und Bettenhersteller. Oder gehören die nun doch zum “System”? Beim privaten Krankenhausbetreiber kommt dann zusätzlich noch das Einkommen derjenigen hinzu, die das Risikokapital dafür aufgebracht haben. Aber eben das zieht offenbar alles ins Unmoralische und führt zum sofortigen Entzug des gedanklichen Gemeinwohl-Labels.

Eine Variante ist, dass Gemeinwohl mit dem Begriff der öffentlichen Gütern verbunden wird, während private Güter etwas mit privatem Gewinnstreben zu tun haben. Dagegen müssen öffentliche Güter angeblich dem Gewinnstreben entzogen werden. Nun ist das ein prä-wissenschaftlicher (und falscher) Gebrauch des Begriff des öffentlichen Gutes. Wie alle anderen Güter auch stiftet dieses einen Nutzen, jedoch kann niemand von der Nutzung ausgeschlossen werden, und die Nutzung rivalisiert nicht. Deshalb besteht ein Anreizproblem, weil sie meist gar nicht gewinnbringend an privaten Märkten produziert und angeboten werden können. Die Forderung, diese dürfen nicht dem Gewinnstreben unterliegen, ist insofern lächerlich, denn nur weil eben kein Gewinn erzielt werden kann, kommt es zur systematischen Unterversorgung und der Staat muss letztlich einspringen (jedoch nicht zwingend selbst produzieren). Es liegt also ein Marktversagenstatbestand vor; der Staat ist hier ohnehin gefordert. Das ist eine olle Kamelle in der VWL. Nehmen wir mal ein klassisches Lehrbuchbeispiel für ein öffentliches Gut: Landesverteidigung (produziert etwa durch Militär). Militär ist also ein Beispiel für Gemeinwohl? Gut, dass wir drüber geredet haben.

Eine der Leistungen Adam Smiths war die Erkenntnis, dass auch und gerade dann, wenn eigennutz-orientiertes Handeln auf Märkten koordiniert und durch Wettbewerb sowie durch moralische Normen diszipliniert wird, auch zu kollektiv wünschenswerten Zuständen führt, für die man heute vielleicht das Wort Gemeinwohl verwenden mag. Es liegt also gar kein systematischer Gegensatz von Eigennutz und Gemeinwohl vor. Die Stigmatisierung des “privaten Gewinninteresses” ist gewissermaßen vor-bürgerlich, vor-aufklärerisch.

Nun gibt es durchaus offensichtliche Fälle, wo das Verfolgen privater Gewinninteressen systematisch den Interessen der Allgemeinheit zuwider laufen kann. Jede/r kennt dafür praktische Beispiele, seien es illegale Abholzung von Regenwäldern, ausbeuterische Arbeitsverhältnisse, Sich-Bereichern auf Kosten des Steuerzahlers usw. In aller Regel sind das Beispiele, wo die Bildung von Macht eine Rolle spielt, oder wo Kosten auf die Allgemeinheit abgewälzt werden können (Externe Kosten). Beides sind bekanntermaßen Funktionsschwächen von Märkten, wie Ökonomen aller Coleur (Neoklassiker, Ordoliberale etc.) bestätigen werden. Hier lassen sich selbstverständlich Effizienzgewinne und ein Zugewinn an Gemeinwohl erzielen, wenn entsprechend adäquat reguliert wird. Das gehört zur DNA der Sozialen Marktwirtschaft. Man braucht dafür weder neue Begriffe, noch die Systemfrage. Eigentlich auch keinen neuartigen gedanklichen Überbau, der sich z.B. “Gemeinwohl-Ökonomie” nennt und der sich als Alternative zur Marktwirtschaft geriert. Denn all das, was man wissen muss, um negative externe soziale und ökologische Effekte zu internalisieren, Informationsasymmetrien und Machtpositionen abzubauen, kennen wir bereits, zumindest im Prinzip. Es ist eher eine polit-ökonomische Frage, weshalb vieles von dem, was man als Bordmittel der Sozialen Marktwirtschaft einsetzen könnte, noch nicht stärker eingesetzt wird.

Ebenfalls irritierend, zumindest in einer liberalen Demokratie, ist die Frage, wer auf welcher Grundlage überhaupt befinden kann, dass etwas gemeinwohl-orientiert ist und anderes nicht. Selbstverständlich kann man sich Kriterien dafür ausdenken, Kataloge erstellen, und auf deren Grundlage Labels verteilen oder entziehen. Hier werden aber möglicherweise die Präferenzen von Millionen einzelner Individuen beiseite geschoben zugunsten zentraler Instanzen, die auf ideologischer Basis entscheiden, was “Gemeinwohl” ist. Die VertreterInnen des Gemeinwohlgedankens gehen offenbar davon aus, dass die Bedeutung doch intuitiv klar sei – vertrauen dabei aber nur auf die Intuition derjenigen aus demselben ideologischen Lager. Ich sage nicht, dass das Erstellen von Kriterien nicht möglich ist, aber das ist ein offener und keineswegs trivialer Prozess voller Zielkonflikte, zu denen man sich unterschiedlich positionieren kann.

Daneben sollte man sich auch vor Augen halten, dass überall dort, wo Institutionen und kollektive Mechanismen über die Vergabe oder den Entzug von Gemeinwohl-Labels entscheiden, auch die Tür zum rent-seeking weit offen steht. Der naive Glaube, das man allein durch das Studium entsprechender populärwissenschaftlicher Gemeinwohlökonomie-Literatur doch einen klaren Maßstab habe, was gemeinwohl-orientiert sei und was nicht, wird schnell der Erkenntnis weichen, dass der Prozess der Feststellung und auch die daran beteiligten Personen Ziel von Interessengruppen sein werden. Es hilft hier auch nicht weiter, wenn man dann ideologisch zwischen “legitimen” Interessen (also solchen, die doch “offenbar” für das “Gemeinwohl” kämpfen, also Umweltverbände, alternative Forschungsinstitute, Campaigning-Plattformen oder andere “zivilgesellschaftliche Gruppen”, von denen man die richtige Gesinnung erwarten kann) und bloßen “Wirtschaftsinteressen” zu unterscheiden. All das setzt immer schon eine überlegene ideologische Position voraus, aus der heraus man das entscheiden kann. Nur: In einer offenen pluralistischen Gesellschaft gibt es eine solche überlegene Position grundsätzlich nicht.

Die Hoffnung, dass sich eine Gemeinwohl-Ökonomie irgendwann “den Kapitalismus” ablöst, kann man angesichts der vorgetragenen Bedenken gegen Inhalt und Logik des Konzepts mehr als Befürchtung denn als Hoffnung beschreiben. Da der Begriff per se positiv besetzt ist (“Kapitalismus” bei vielen aber negativ) wird das auf Unverständnis stoßen. Ich selber kann jedoch auch mit “Kapitalismus” wenig anfangen (außer vielleicht der Überzeugung, dass Privateigentum, freie Entscheidungen über Produktion und Konsum, Eigenverantwortlichkeit eine wichtige Rolle spielen) und würde das, ergänzt um Machtkontrolle, Sozialer Ausgleich, ökologische Rahmenbedingungen für Nachhaltigkeit, eher als sozial-ökologische Marktwirtschaft beschreiben, deren Reformfähigkeit ich am ehesten in der Lage sehe, auch für Gemeinwohl zu sorgen.

Hier sehe ich die zu Beginn genannte “sanfte Variante” der Gemeinwohlökonomie als ganz normalen Bestandteil einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft. Wenn z.B. in der sog. “Gemeinwohl-Matrix” Kriterien bezüglich ökologischer Nachhaltigkeit, Mitbestimmung/Partizipation von MitarbeiterInnen, faire Entlohnung usw. definiert werden, und das über die gesamte Lieferkette, so ist das lediglich die konsequente Anwendung der regulatorischen Bordmittel der sozial-ökologischen Marktwirtschaft. Keine freiheitliche Wirtschaftsordnung kommt ohne Spielregeln aus, die die Funktionsvorausetzungen und Funktionsbedingungen von Märkten bestimmen. Es soll nicht nur das an (öffentlichen und privaten) Gütern produziert werden, was die Menschen gerne wollen (was freie Entscheidung voraussetzt), sondern auch auf eine Art und Weise, wie wir es uns wünschen, also ökologisch nachhaltig, ohne Ausbeutung, mit für KonsumentInnen nachvollziehbaren Auswirkungen auch auf den globalen Süden usw. usw. (was freie Entscheidung über die Spielregeln voraussetzt). Das alles sind Selbstverständlichkeiten, die im politischen Wettbewerb ausgehandelt werden müssen . Ich kann nicht erkennen, weshalb hier von einem anderen “Wirtschaftsmodell” die Rede ist, einem “Modell”, das als Alternative zum gegenwärtigen angepriesen wird.

Ist ein solcher Rahmen festgelegt, für den ich lieber den Begriff der sozialen und ökologischen Standards verwenden würde als den Gemeinwohl-Begriff zu bemühen, werden die sich dann ergebenden wirtschaftlichen Tätigkeiten nach wie vor auch danach ausrichten, womit man Gewinne erzielen kann. Na und? Ich würde mir aber wünschen, dass die Kriterien z.B. einer solchen “Gemeinwohl-Matrix” im gesellschaftlichen Diskurs verhandelt und nicht durch Gemeinwohlökonomie-ExpertInnen bestimmt werden. Und damit meine ich auch, dass es keinen Alleinvertretungsanspruch bei der Definition solcher Begriffe geben darf, der dann die Fähigkeit verleiht, politische Gegner zu de-legitimieren (“das ist gegen das Gemeinwohl gerichtet”). Es würde schon viel helfen, solche Begriffe einfach mal wegzulassen und nicht alles zu einer Frage des Wirtschafts”modells” oder Wirtschafts”systems” zu stilisieren.

Corona: Menschenleben gegen Wirtschaftsinteressen abwägen?

Es ist kaum ernsthaft bestritten, dass die staatlich verordneten drastischen Beschränkungen richtig waren, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, damit keine Engpässe bei der intensivmedizinischen Versorgung entstehen und insbesondere ÄrztInnen nicht vor das Triage-Problem gestellt werden müssen. Auf der anderen Seite haben diese Maßnahmen, der „Lockdown“, zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten geführt: das Bruttoinlandsprodukt sinkt deutlich, die Arbeitslosigkeit steigt, es wird zu einer erheblichen Zahl von Pleiten kommen, Unternehmen und Staat werden anschließend hoch verschuldet sein.

Derzeit verläuft die Diskussion um eine mögliche Lockerung der Maßnahmen häufig entlang der moralischen Frage, ob man eine Lockerung aus wirtschaftlichen Gründen fordern dürfe, wo dies doch gleichzeitig das gesundheitliche Gefährdungspotenzial und damit Ansteckungs- und Todesfälle wieder nach oben treiben würde. Interessanterweise liest man hier oft die Sentenz, dass man „Menschenleben nicht gegen Wirtschaftsinteressen ausspielen dürfe“, dass schon die Behauptung eines Zielkonflikts „die Gesellschaft spalte“, und überhaupt Gesundheit und Menschenleben ein so hohes Gut sei, dass schnöde Wirtschaftsinteressen ja wohl kaum als moralisch gleichwertig anzusehen seien. Sobald solche Sentenzen mit entsprechender Empörung vorgetragen werden, kann man sich der eilfertigen Demutshaltung des Gegenübers sicher sein: Nein nein, so war das nicht gemeint…., Nein, mir geht es darum, einen Zielkonflikt zu vermeiden…. usw. Selbst namhafte Ökonomen schließen sich schnell diesem moralischen Diktum an.

Mich wundert das, und zwar aus zwei unterschiedlichen Gründen:

Der Zielkonflikt besteht. Und die Gesellschaft geht bereits damit um.

Es ist mir unbegreiflich wie man verneinen kann, dass es hier um Zielkonflikte und folglich um Abwägungen geht. Ganz offensichtlich gehen die drastisch einschränkenden Maßnahmen, um Ziel A (Rettung von Menschenleben, Gesundheit) zu erreichen, zulasten von Ziel B (florierende Wirtschaft, Jobs). Dies zu benennen und zu analysieren ist Grundlage eines rationalen Diskurses und nicht etwa ein unbotmäßiges „Ausspielen von A gegen B“ oder der Versuch „die Gesellschaft zu spalten“. Ein Zielkonflikt verschwindet nicht dadurch, indem man einfach nicht hinschaut und das Hinschauen moralisch diskreditiert. Ein Zielkonflikt erzwingt eine Güterabwägung, ob man will oder nicht. Genau das ist das Kerngeschäft der VWL.

Es ist auch ein grobes Un- oder Missverständnis, dass „rein wirtschaftliche Fragen“ auf dem einen Blatt stehen, darum darf sich dann die VWL kümmern, aber ethisch-moralische Fragen auf einem ganz anderen Blatt. Ökonomen sprechen von Präferenzen. Auch wenn in einführenden mikroökonomischen Lehrbüchern meistens Präferenzen auf (Konsum-) Güterbündel bezogen werden, so geht es tatsächlich aber um die Gesamtheit der Lebenswirklichkeit, die man unter knappen Ressourcen zu gestalten hat. Welche Bedingungen, unter denen ich als Einzelner innerhalb einer Gemeinschaft leben möchte, ziehe ich vor (prä-ferre)? Das reicht von reinen individuellen Geschmacksfragen (Lieber Rotwein oder Bier?) über die Frage der Gestaltung von Spielregeln (Welche Marktregulierungen, welches Steuersystem bevorzuge ich?) bis hin zum Grundsätzlichen (Über was möchte ich individuell frei entscheiden? Wo bin ich bereit, dass das Kollektiv entscheidet? Welche Gesetze, über die ich demokratisch abstimme, spiegeln meine ethischen Überzeugungen am besten wider?). Kurzum: ethische Fragen sind integraler Teil menschlicher Präferenzen und somit von Abwägungsprozessen.

Und wir als Gesellschaft haben kollektiv eine solche Abwägung bereits getroffen. Nämlich mit sehr starkem Gewicht des Ziels, Menschenleben und Gesundheit zu schützen, zulasten der Wirtschaft. Da schnelles Handeln erforderlich war, konnten keine langen Debatten zur Güterabwägung geführt werden. Zudem musste man unter großer Unsicherheit Entscheidungen treffen. Wie viele Covid-19-Todesfälle oder auch schwerwiegende Krankheitsverläufe man vermieden, wie viele ausgestandene Ängste, wie viele Triage-Entscheidungen man vermieden haben wird, wird man im Nachhinein vielleicht abschätzen können. Wie viele Jobs und Einkommenseinbußen das gekostet haben wird, wie viele freiberufliche Existenzen und Lebenspläne zerstört, wie viele Betriebe pleite gegangen sein werden, wie stark Bildungsprozesse beeinträchtigt sein werden, wie viel zusätzliche häusliche Gewalt und Depressionen es gegeben haben wird, wird man dann auch abschätzen können.

Es ist bemerkenswert, dass solche Abwägungen schnell und mit erstaunlichem Einverständnis der Bevölkerung getroffen wurden, notgedrungen ohne detaillierte Debatte, obwohl die Einschränkungen ja tief in die Grundrechte hineingehen. Man darf vielleicht daran erinnern, dass in vielen anderen Bereichen völlig unabhängig von Corona ebenfalls moralische Zielkonflikte bestehen, die die Gesellschaft bislang ganz anders bewertete: Wie viele Tote könnte man jedes Jahr vermeiden, wenn Rauchen verboten wäre? Wenn es keinen Autoverkehr oder zumindest Tempolimit auf Autobahnen gäbe? Wenn es eine allgemeine Impfpflicht für Grippeimpfungen gäbe? Sicher, in all diesen Fällen ist die Problemlage immer etwas anders als bei Corona, um dem Argument, „das kann man doch nicht miteinander vergleichen“, vorzubeugen – wobei: selbstverständlich kann man die Dinge vergleichen. Differenzierendes Vergleichen ist oft hilfreich. Woher sonst wüssten wir, dass es neben Gemeinsamkeiten auch Unterschiede gibt, wenn man nicht einen Vergleich angestellt hätte? Was allen Beispielen gemeinsam ist, ist die Güterabwägung, die wir sonst häufig nicht zugunsten von Leben und Gesundheit treffen.

Moralisten ziehen dann oft die Trumpfkarte, dass „menschliches Leben“ doch mit nichts aufzuwiegen sei und deshalb sich ein „Aufrechnen“ per se verbieten würde („Na, sag schon, sag schon, was ist denn der Geldpreis für ein Menschenleben?“). Als Ökonom weise ich darauf hin, dass auch Menschen, die so argumentieren, durch ihre eigenen täglichen Entscheidungen aufzeigen, dass sie selbst eben solche Abwägungen treffen, deren rationalen Diskurs sie für verwerflich halten: Sie fahren mit dem Auto zur Arbeit? Sie rauchen? Sie sind schon mal bei Rot über die Ampel gegangen? Mit anderen Worten: Sie riskieren, wenn auch nur mit ganz geringer Wahrscheinlichkeit, ihr eigenes Leben, um einen mehr oder weniger schnöden Vorteil zu erlangen? Interessant. Sie gehen faktisch begrenzte (im Prinzip bezifferbare) Lebens- und Gesundheitsrisiken ein um dafür andere Vorteile zu bekommen. Dies zu benennen, transparent und bewusst zu machen, einem rationalen Diskurs zugänglich zu machen kann ich nicht als moralische Zumutung sehen. Und wenn solche Abwägungen kollektiv getroffen werden müssen, dann ist ein solcher rationaler Diskurs sogar angebracht. Moralische Denkverbote unterminieren sonst demokratische Legitimität kollektiver Entscheidungen.

Völlig unbestritten ist natürlich, dass alle Maßnahmen, die auf eine Verringerung von Zielkonflikten führen, zu begrüßen sind. Hätte man massenhaft Corona-Tests incl. Testkapazitäten und ausreichend Schutzmasken, könnte man die Ausbreitung des Virus mit erheblich weniger wirtschaftlichen Einschränkungen eindämmen. Solche Pfade zu identifizieren, wie man Zielkonflikte reduziert, ist im Grunde ein ökonomisches Optimierungsproblem, was aber eben einen Konsens voraussetzt, wie man die unterschiedlichen Ziele abwägt. Zu bedenken ist dabei aber, dass eben auch die Maßnahmen zur Reduzierung des Zielkonflikts, selbst kostenträchtig sind und deshalb Teil der Optimierung sind. Vermutlich ließe sich das Triage-Problem auf ein absolutes Minimum drücken, wenn man völlig unabhängig von Pandemien stets 10 Millionen Intensivbetten mit Beatmungsgeräten vorhält. Wenn man sich als Gesellschaft entschließt: Ja, wir wollen sehr gerne jedes Jahr Ressourcen im Wert von mehreren hundert Milliarden Euro für derartige totale Vorsorge ausgeben, die dann allerdings anderen Verwendungsmöglichkeiten entzogen werden, so kann man das gerne tun, da das offenbar den Präferenzen der Menschen entspricht. Wenn nicht, müssen wir eben mit dem Risiko leben, ab und wann zu den hier diskutierten Güterabwägungen gezwungen zu sein.

Es geht um Freiheit und Würde, nicht nur um Wirtschaftsinteressen

Vor Kurzem hat ein Verfassungsrechtler in einem sehr klugen Kommentar in der F.A.Z. darauf hingewiesen, dass menschliches Leben keineswegs diesen hohen Verfassungsrang hat, wie viele Menschen glauben. Es geht nicht um das Leben als solches, sondern um ein Leben in Würde, was auch eine freie Selbstentfaltung einschließt. Die Einschränkungen des Tötungsverbotes z.B. im Kriegsfall oder in Notwehrsituationen, bei Schwangerschaftsabbrüchen, bei der jüngsten Rechtsprechung bezüglich selbstbestimmten Sterbens usw. zeigen dies. Nun geht es zugegeben im Fall der Triage nicht allein um die Frage der Rettung von Menschenleben, sondern um die Frage, wen man angesichts von Ressourcenknappheit sterben lassen muss. Das berührt sehr wohl auch Fragen der Würde.

Auf der anderen Seite sind die Maßnahmen, die eben eine solche Situation vermeiden sollen, nicht einfach bloß ein „Herunterfahren der Wirtschaft“, wie es oft heißt. Das verleitet viele zu der Auffassung „Das ist doch bloß Wirtschaft, da geht es doch letztlich nur um Materielles und um Geld“, also nichts, was moralisch wirklich ins Gewicht fällt. Das ist ein Irrtum. Es geht um eine erhebliche Einschränkung wesentlicher Grundrechte. Versammlungs- und Religionsfreiheit sind eingeschränkt. Die Freiheit, sich wirtschaftlich zu betätigen (als Friseur, Restaurantbesitzerin, Konzertveranstalter, Musikerin usw.) und damit die Freiheit der Berufsausübung ist eingeschränkt. Bewegungs- und Reisefreiheit ist eingeschränkt, usw. Wenn man einem an Covid-19 Sterbenden nicht die Hand halten darf, ist das ein Antasten der Menschenwürde. Ich finde es atemberaubend, wie schnell und problemlos sich die Bevölkerung damit arrangiert, was sie mit wenig Murren bereit ist herzugeben (ökonomisch: Opportunitätskosten) um die Ausbreitung eines Virus zu stoppen, der zu einer vermutlich sehr hohen, aber unbekannten Zahl von Toten führen wird bzw. würde. Die Bereitschaft, sehr viel mildere Maßnahmen in Kauf zu nehmen, um die ca. 25.000 Grippetoten in Deutschland 2017/18 zu vermeiden, war dagegen nicht vorhanden. Ich will das nicht bewerten, finde aber die Beobachtung interessant, wie unterschiedlich hier kollektive Güterabwägungen erfolgen. Wie gesagt: dies zu untersuchen, transparent und bewusst zu machen, einem rationalen Diskurs zuzuführen, ist Kerngeschäft der VWL.

Effizienz und Fairness

Ein zentrales normatives Kriterium ökonomischen Denkens ist die Effizienz, meist verstanden als Pareto-Effizienz. Nach diesem Kriterium ist ein Zustand effizient, wenn durch Änderung des Zustandes niemand besser gestellt werden kann, ohne dass jemand anderes schlechter gestellt werden muss. Alle wechselseitig vorteihaften Tauschmöglichkeiten, die z.B. durch Spezialisierung und Handel möglich sind, sind dann bereits realisiert worden. Insofern ist das Kriterium eine direkte Implikation des ökonomischen Prinzips, wonach mit gegebenen knappen Mitteln der höchstmögliche Zielerreichungsgrad realisiert wird.

Das Pareto-Effizienzkriterium ist streng individualistisch, da es sich bei dem “besser gestellt” und “schlechter gestellt” auf die individuellen Präferenzen der beteiligten Akteure bezieht. Nur der Einzelne kann seine Präferenzen wirklich kennen, weshalb das Konzept auch ein Schutz vor paternalisierenden Eingriffen ist. Nun stellt man sich in der (neoklassischen) Volkswirtschaftslehre sehr häufig Individuen vor, deren Präferenzen äußerst schlicht sind, nämlich rein eigennutz-orientiert und materiell nicht gesättigt (d.h. mehr von einem Gut steigert stets den Nutzen). Es ist zu betonen, dass diese speziellen Annahmen bezüglich der Präferenzen vor allem “Bequemlichkeitsannahmen” sind, sie berühren nicht den Kern der Nutzentheoie bzw. der Vorstellungen von Rationalität. Unter dieser Bequemlichkeitsannahme kann man dann z.B. ableiten, dass jede Aufteilung eines Kuchens auf X Personen effizient ist, denn jemand kann genau dann ein größeres Kuchenstück bekommen, wenn jemand anderes ein kleineres bekommt – bei gegebener Kuchengröße. So wird z.B. argumentiert, weshalb sich Effizienz- und Gerechtigkeitskriterien logisch voneinander trennen lassen. Letztere müssen irgendwie begründet werden (folgen aber nicht aus dem ökonomischen Prinzip), während Effizienz unabhängig davon stets gewährleistet sein sollte.

Hier kommt nun der springende Punkt: spätestens aus der Verhaltnsökonomik wissen wir, dass Menschen durchaus soziale, gruppen-bezogene Präferenzen haben. Sie haben eine Aversion gegen zu viel Ungleichheit, eine Vorliebe für Fairness, haben verinnerlichte Muster von Reziprozität, die sie teilweise zu freiwilliger Kooperation veranlassen, aber auch zu Sanktionen aus Neid oder bei Regelverletzungen anderer. Menschen sind zutiefst gruppen-bezogen und keine isolierten Akteure. Das mag z.B. evolutionäre Gründe haben, weil sich durch solche Präferenzen sehr viel leichter Kooperationsvorteile realisieren lassen, sich soziale Normen etablieren und stabilisieren können, welche Verhaltens-Kohärenz und Reduktion von Unsicherheit gewährleisten. Sofern sich solche Präferenzen konsistent darstellen lassen, spricht nichts dagegen, die Erwartungsnutzentheorie und damit das ökonomische Verständnis rationaler Entscheidungen nach wie vor zu verwenden, denn diese abstrakten Konzepte setzen nichts über den konkreten Inhalt der individuellen Präferenzen voraus.

Nun kommen wir zurück auf Pareto-Effizienz: Was geschieht, wenn Menschen eben solche soziale Präferenzen haben? Wann kann dann ein Zustand als effizient gelten? Zunächst ist klar, wenn man das Konzept formal-analytisch ernst nimmt, dass sich Effizienz- und z.B. Gerechtigkeits- oder Verteilungsvorstellungen nicht mehr analytisch voneinander trennen lassen, denn die Individuen bewerten ja den Gesamtzustand, nicht nur isoliert das “Kuchenstück”, welches für sie dabei abfällt. Wenn es also Ziel des Wirtschaftens, der Allokation knapper Güter, ist einen effizienten Zustand zu erreichen, was können dann Märkte dabei leisten? In der Neoklassik geht man davon aus, dass unter idealen Bedingungen, die wir hier für einen Moment mal akzeptieren wollen, die beteiligten Akteure selbst herausfinden können, wo es wechselseitig vorteilhafte Tauschmöglichkeiten gibt, und sie diese dann realisieren können, angetrieben durch ihre eigenen, wie gesagt sehr schlichten Präferenzen. Was aber passiert, wenn letztere nun nicht mehr rein selbst-bezogen sind, sondern sich auf das Allokationsergebnis insgesamt beziehen? Welche Regulierungen bzw. ergänzenden Allokationsmechanismen sind ggf. notwendig, um Effizienz herbeizuführen? Ich spreche ich hier nach wie vor von dem althergebrachten Begriff der Pareto-Effizienz, der etablierten Nutzentheorie, dem üblichen Rationalitätsverständnis der VWL. Es geht hier gerade eben nicht um radikale Alternativen zur Neoklassik, sondern um das radikale Ernstnehmen deren Kernkonzepten (aber jenseits der Bequemlichkeitsannahmen). Die Konsequenzen sind einigermaßen dramatisch: Begründungen von Marktregulierungen, alternativer Governance-Mechanismen, Gemeinwohl- und Gerechtigkeitsaspekte etc. rücken in den Fokus. Und zwar durch kluges, nein: klügeres Verwenden der Bordmittel der VWL statt durch tumbes Einprügeln auf den angeblich ignoranten “Mainstream”.

Handelsverträge und der “Club der Willigen“

Nordhaus’ Vorschlag des “Clubs der Willigen” sieht vor, dass handelsstarke Länder, die sich zu einem effektiven Klimaschutz verpflichtet haben und damit einen Beitrag zu einem globalen öffentlichen Gut leisten, die weniger willigen Länder, die lieber “free rider” beim Klimaschutz sein wollen, zu einem stärkeren Engagement bewegen, indem Handelserleichterungen nur gegen eine entsprechende wirksame Klimapolitik gewährt werden, also eine Konditionierung der Handelserleichterungen erfolgt. Da der “Club” eine gewichtige Rolle im Welthandel spielt, also ein bedeutender Handelspartner ist, dürften andere Länder ein entsprechendes Interesse an Handelserleichterungen haben und somit diesen Deal eingehen. Da die bisherigen Selbstverpflichtungen zum Klimaschutz, wie etwa das Paris-Abkommen, keine Sanktionsmechanismen haben, d.h. ein Gefangenendilemma bzw. Öffentliches-Gut-Spiel vorliegt, dienen hier bindende Verträge aus einem anderen Politikbereich (Handel) als ein Ersatz, um doch noch einen (indirekten) Sanktionsmechanismus zu etablieren. Auf diese Weise wird Klimaschutzpolitik über das Vehikel der Handelspolitik in ihrer Wirkung vervielfacht. Der Verweis darauf, dass Deutschland ja “nur” 2% zu den CO2-Emissionen beitrage, und selbst die gesamte EU weniger emittiert als China, kann dann nicht als Ausflucht gelten: Das Gewicht im Handel ist sehr groß, und dementsprechend kann es nur gelingen, große Handelspartner zu einem Klima-Committment zu bewegen, wenn auch die eigenen Klimaziele erreicht werden – denn Nordhaus’ Vorschlag bindet auch die Mitglieder des “Clubs der Willigen”, so dass diese nicht nur durch die brüchige kollektive Vernunft, sondern simpel durch Eigeninteresse weiterhin “willig” bleiben.

Globalisierung und die wechselseitige Abhängigkeit der Länder aufgrund komplexer Wertschöpfungsketten ist hier geradezu ein Vorteil um das Anreizproblem bei einem derart existentiellen Thema zu lösen. Je mehr ich auf das Funktionieren dieser Wertschöpfungsketten angewiesen bin, desto höher mein Interesse, bei einem derart konditionierten Handelsvertrag mitzumachen. Das erfordert eine neue Generation von Regional Trade Agreements (RTA), denn eine Implementation auf multilateralem Weg (WTO) würde angesichts der drängenden Zeit viel zu lange dauern.

Diese neue Generation von RTAs sollte also eine Konditionalität vorsehen: wohldefinierte Pakete von Handelserleichterungen müssen quasi “erworben” werden durch überprüfbare Erfolge bei der Reduktion von Treibhausgasen sowie dem Schutz der CO2-Absorptionskapazitäten (z.B. Regenwald). Es sollte auch möglich sein, im Vergleich zum Status Quo zusätzliche protektionistische Maßnahmen zu verhängen, wenn die Emissionsreduktion die gesetzten Ziele nicht erreicht oder sogar ansteigen (oder z.B. Regenwald abgeholzt wird). Da davon auszugehen ist, dass CO2-Emissionen in irgendeiner Form bepreist werden, sind border adjustments selbstverständlich Bestandteil der Abkommen. Nicht oder unzureichend CO2-bepreiste Importgüter werden an der Grenze nachbesteuert um ein level playing field zu schaffen, d.h. heimische Produzenten im “Club der Willigen” sollen keinen Preisnachteil haben dadurch, dass CO2 innerhalb des Clubs einen hohen Preis hat. Umgekehrt muss auch beim Export eine Rückerstattung zumindest eines Teils des entrichteten CO2-Preises möglich sein, um keinen Preisnachteil beim Export außerhalb des “Clubs” zu haben. Auf solche adjustments kann in dem Maß verzichtet werden, wie die Handelspartner ebenfalls solche Preise einführen.

Neben dem Klimaproblem können im Prinzip auch andere Problemfelder die Handelserleichterungen konditionieren, etwa die Einhaltung von Menschenrechten oder ILO-Normen. Spielregeln, die die Art und Weise, wie wir produzieren und konsumieren, arbeiten und leben, so gestalten sollen, wie es den Präferenzen der Menschen in allen am Handel beteiligten Ländern entspricht, sollen nicht durch den Hinweis unterminiert werden, dass sie ja die Wettbewerbsfähigkeit auf den globalisierten Märkten senken. Würde man diesem Argument folgen, so würde zwar (vielleicht) mehr Handel getrieben, aber man befände sich schnurstracks auf dem Weg in Richtung Pareto-Ineffizienz, denn dieses Mehr an Gütern wird unter Bedingungen erzeugt, die die Menschen letztlich nicht präferieren. Und das ist der Maßstab ökonomischer Vernunft: die knappen Ressourcen so einzusetzen, dass Lebensbedingungen erzeugt werden, die von möglichst vielen präferiert werden. Das schließt nicht bloß die schiere Menge an produzierten bzw. konsumierten Gütern ein, sondern auch die Art und Weise, wie sie produziert werden. Und es schließt nicht nur die aktuell lebende, sondern auch künftige Generationen ein. Letztere würden sonst in ihrer Freiheit, ihre eigenen Lebensumstände durch Marktentscheidungen und demokratischen Wahlen bestimmen zu können, eingeschränkt. Und das kann ja wohl nicht Sinn des “Frei”handels sein.

Langfristig führt ein solches Schleifen der Spielregeln zugunsten einer Erhöhung des Handelsvolumens zu ihrer Delegitimation, auch zu Ressentiments gegenüber vertiefter Globalisierung. Eine Konditionierung der Handelserleichterung durch länderübergreifende andere Ziele, wie etwa den Klimaschutz oder den Menschenrechten, kann Globalisierung als schlagkräftiges Vehikel der Durchsetzung dieser Ziele an Zustimmung gewinnen. Das Abkommen zwischen der Europäischen Union und den MERCOSUR-Staaten könnte, wenn es denn neu verhandelt würde (!), zu einer Blaupause für eine solche neue Generation von RTAs werden. In der derzeitigen Form ist von Nordhaus‘ Idee leider nichts zu sehen.

Nachhaltigkeit als Prinzip einer wettbewerblichen Marktwirtschaft

Ordnungsökonomische Prinzipien wie etwa die von Eucken beschreiben die für eine funktionierende Marktwirtschaft als konstitutiv angesehenen Merkmale. Man kann argumentieren, dass ökologische Nachhaltigkeit in diesen Kanon hineingehört. Zum einen hat es keinen Sinn von einer “funktionierenden” Marktwirtschaft zu sprechen, wenn diese systematisch zu einer Übernutzung von Ressourcen, Zerstörung ökologischer Lebensgrundlagen und zu einem lebensbedrohlichen Klimawandel führt. Damit würde sich die Marktwirtschaft ihrer eigenen langfristigen Grundlagen berauben. Insofern man diese negativen ökologischen Konsequenzen als Externalitäten auffasst, so ist deren Internalisierung also nicht nur ein regulatorischer Eingriff zur Verbesserung der Effizienz des Marktsystems, sondern konstitutiv für den langfristigen Bestand der Wirtschaftsordnung. Zum anderen unterminiert eine nicht nachhaltige Entwicklung letztlich die Freiheitsrechte künftiger Generationen. Sieht man die institutionelle Garantie von Freiheitsrechten als konstitutiv an (wie etwa bei Eucken), so sind die Rechte künftiger Generationen nicht als inferior zu vernachlässigen. Eine Vernachlässigung ökologischer Nachhaltigkeit ist deshalb in Bezug auf spätere Genarationen ähnlich zu werten wie der Entzug wirtschaftlicher Freiheiten heute lebender Individuen zugunsten anderer heute lebender Individuen. Während wirtschaftlicher Wettbewerb die Machtpositionen der einen, welche die Freiheit der anderen beschränken, auflösen soll und kann, so ist dies im Fall des intergereativen Freiheitsentzugs nicht möglich. Daher ist instiotutionell durch eine Nachhaltigkeitspolitik dafür zu sorgen, dass künftige Generationen genügend Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit bleibt.

Während nach dem Zweiten Weltkrieg der Ordoliberalismus die Notwendigkeit des sozialen Ausgleichs erkannt und zu einem integralen Bestandteil der Wirtschaftsordnung gemacht hat (“Soziale Marktwirtschaft”), so sollte nach 50 Jahren Diskussion über die ökologischen Grenzen des Wachstums und nachhaltiger Wirtschaftsweise die Erkenntnis stehen, dass auch ökologische Nachhaltigkeit konstitutives Merkmal der Wirtschaftsordnung ist, und demzufolge eine “Ökologisch-soziale Marktwirtschaft” als Leitkonzept akzeptiert werden sollte. Diese normative Festlegung würde den Staat zu einer entsprechenden Nachhaltigkeitspolitik verpflichten. Angesichts der enormen Herausforderungen des Klimawandels (neben vielen anderen Problemfeldern) erfordert dies drastische Schritte, auch wenn diese im Detail nicht direkt aus dem ordnungspolitischen Konzept abgeleitet werden können. Trotz dieser Herausforderungen an eine aktive staatliche Politik ist aber auch klar, dass wettbewerbliche Märkte aufgrund ihrer Fähigkeit zur Anpassung, zur Innovation und zur Bewältigung von Strukturwandel notwendig sind – sie also vom Problem zum Teil der Lösung werden.

Sowohl die langfristigen Konsequenzen von Handlungen für zukünftige Generationen, als auch die entfernt liegenden Handlungskonsequenzen entlang globaler Wertschöpfungsketten sind für Individuen kaum abschätzbar oder sichtbar. Versucht der Staat Externalitäten zu internalisieren, so spiegeln sich zumindest teilweise die Handlungskonsequenzen in den Preisen wider. Aber erstens gelingt dies nur sehr unvollkommen (wer kennt schon das sozial optimale Niveau?), zweitens hat der Staat nur Internalisierungsmöglichkeiten innerhalb nationaler oder durch Handelsabkommen determinierter Grenzen, also nicht entlang der gesamten Produktionskette. Und drittens hat die Internalisierungslogik Grenzen, die in der Natur sozialer Präferenzen liegt: Wenn ein Konsument Präferenzen (etwa ethische Überzeugungen) hat, die von vornherein den Kauf von Gütern ausschließt, die mit Kinder- oder Sklavenarbeit hergestellt wurden, so nützt es nichts, wenn Kinderarbeit als „negative Externalität“ internalisiert wurde um sie auf ein “sozial optimales Niveau” zu reduzieren. Die Tatsache als solche, ob Kinderarbeit enthalten ist oder nicht, ist dem Preissystem nicht zu entnehmen. Hinzu kommt, dass das Individuum nie wissen kann, ob alle Staaten entlang der Produktionskette eine adäquate Internalisierungspolitik betreiben. Damit erzeugt die Zergliederung des Produktionsprozesses infolge zunehmender globaler Arbeitsteilung asymmetrische Informationen.

Kurzum: Im Fall sozialer Präferenzen, wo aufgeklärte Individuen die Konsequenzen ihrer Handlungen verantworten wollen – und nach Auffassung des Liberalismus auch sollen – bietet das Markt- bzw. Preissystem nicht immer adäquaten Möglichkeiten dies zu tun. Dies ist faktisch eine Reduktion von Freiheitsrechten, wenn einem die Möglichkeit genommen wird, Verantwortung für die eigenen Handlungskonsequenzen zu übernehmen. Nebenbei bemerkt kann die Allokation dann nicht mehr pareto-effizient sein, weil der ultimative Maßstab für Effizienz die (ggf. sozialen) Präferenzen der Individuen sind. Demzufolge muss eine liberale marktwirtschaftliche Politik in Zeiten globalisierter Produktionsketten und langfristiger intergenerativer Handlungsfolgen die Mischung marktlicher und regulatorischer Allokationsmechanismen neu denken. Ein Liberalismus, der in der Vorstellung “mehr Markt = mehr individuelle Freiheit, mehr Staat = mehr Bevormundung” verhaftet ist, hat diese Zusammenhänge nicht wirklich verstanden.

When is Free Trade “free”? Taking liberalism seriously

Liberal economists tend to say that free trade means that governments should not impose barriers of trade. These barriers could be tariffs or non-tariff barriers such like quotas and different standards which regulate market access. Free trade negotiations thus aim to reduce tariffs and quotas, reduce bureaucracy, and harmonizing standards.

Many of these market regulations or standards have their background in various forms of market failure. Their task is e.g. to internalize external costs (or to regulate activities which produce externalities), to mitigate problems of information asymmetry e.g. in case of consumer protection, or to establish countervailing power, e.g. in case of labor standards. All that is not distortive in the sense of allocation efficiency, in contrast, it should promote market efficiency, and could incentivise market participants to seek for better solutions. The design of these rules and standards  – though being influenced by political bargaining and interest groups – can be seen as a democratic outcome: the open and liberal society decides to which extent and in which way they wish to come up with these various sorts of market failure. These rules determine the mode how markets are working in order to achieve an overall desirable outcome – not only the desired bundle of goods but also the way how production, market exchange, (re-) distribution, working conditions etc. are organized. Recall, that all that are choice consequences where individuals have preferences about. This illustrates that market regulations, also for cross-border transactions, should empower people to make better informed choices, reduce externalities and the role of imbalanced power and to take responsibility for the consequences – not bossing individuals around.

Liberalism implies that people are aware of the choice consequences and take full responsibility of them. This requires that prices reflect all social costs, and that customers are well informed about choice consequences. Many agents would like to take responsibility about social and ecological conditions of production of the goods they are purchasing. In Global Value Chains, information about these consequences are usually dispersed and not fully reflected in the prices. Thus, with increasing globalization, information asymmetry increases, too. The price system in a market economy should reflect social opportunity costs and willingness to pay. Hence, the question whether globalization fosters or reduces allocative efficiency, is not easy to
answer.

What happens in case of trade between countries with different, i.e. lower standards or more lax regulations? The country with stricter standards will have – in tendency – a comparative disadvantage for all activities which are regulated more strictly. These activities are out-sourced or off-shored, and consumers buy the imported goods at lower prices. However, they could know that they are indirectly contributing to externalities and social imbalances in other countries. But if their decisions are guided predominantly by prices, they are less able to express their willingness to pay for proper production conditions. An example might be child
work or hazardous working conditions. People decided for good reasons to prohibit child work – in their country. Whether they indirectly promote child work in other regions via their consumption behavior is a choice consequence they cannot be sure about. Imposing environmental taxes for internalizing externalities leads to comparative advantages of other countries for producing dirty goods. Introducing labor standards create comparative advantages of other countries for labor-intensive goods, and so forth.

The common wisdom of trade theory that “aggregated” welfare increases due to specialization and trade is easy to prove for a „represwentative“ consumer who is purely self-interested: her welfare depends only on the amount and variety of consumed goods, and the bundle of goods is increasing due to trade. From a political economy point of view, if consumer’s or voter’s preferences are also reflected in the way of regulation and standards, it is by no means clear whether welfare has increased. This is one of the problematic issues of many free trade agreements: the negotiations are often intransparent and massively influenced by minority lobbying groups. Public support of free trade arrangements require an open dialogue, information disclosure, and participation in discussion. This would reduce campaigning activities against free trade agreements by other lobbying groups which are often seen as ill-informed. However, the main participants and lobbyists of past trade agreements are sometimes ill-informed as well, e.g. when declaring that environmental and consumer protection issues are “not economic issues” and should thus not be prioritized. (That’s an example of the widespread misconception that first we have to „make business“ in order to have the money to finance all that social and environmental bling-bling – this is the opposite of informed economic reasoning.)

For a reduction of tariffs or quotas or bureaucracy there is usually a broad consensus. The “harmonization” of regulations and standards, however, is highly debatable. Proponents of free trade see these differences as a barrier to trade. The opponents see an undermining of the democratically legitimated rules how to cope with these various forms of market failures according to the voter’s preferences. In many cases a “harmonization” means that the lower standard is made effective, and a further improvement of standards or adaption to the preferences is much more difficult as the consent of the other country is necessary (supranational law). Therefore, the voters do not experience an extension of their “freedom”, the “free” trade agreement might limit or reduce their freedom to take responsibility of their choice consequences and the future design of the rules. The “free” in free trade should not be trivialized to freedom to choose among a larger variety of (cheaper) goods or the freedom to
make more money. This would not have much to do with the ideas of liberalism.

These are not ideological or left-winged arguments, it is a very simple implication of economic reasoning, based on Pareto efficiency criterion and theory of allocation in a market economy plus some arguments from Public Choice. Therefore, free trade agreements between countries with different attitudes and preferences is an ordoliberal challenge if the goal is to maintain or even extend freedom. It is by far less simple than just “abandoning trade barriers”. It has to address the question how individuals can decide about the design of rules which govern their life conditions according to their preferences. And how they can keep control of that in a globalized world with multilateral and regional agreements.

The free trade negotiation process should carefully deliberate publicly about differences of standards. If harmonization isn’t desirable, the national standards prevail. If national standards evolve, all suppliers and consumers are affected in the same way. Thus it is not legitimate that foreign investors have privileged rights to appeal against changing policies (such privileges are justified only in case of very weak institutions if FDI should be promoted). Both governments should make clear arrangements how to deal with important cross-border externalities such as greenhouse gas emissions. For example, both sides could agree to consider a joint de-carbonization strategy which imposes improved standards of cleaner production. In case of e.g. different carbon taxes, traded goods should be border-taxed so that the carbon embodied in traded goods is taxed in a non-discriminatory way compared to the locally produced goods. Improvements of regulations should not be hindered by international treaties but supported by them. Thus, free trade agreements could become a vehicle to globalize improved environmental and social standards. It could be expected that with such an agenda there would be by far less resistance against globalization and free trade. And it would be a step towards a modernization, i.e. de-trivialization of the term “liberal” in economic policy.

Urheberrecht im digitalen Zeitalter

In ihrem Kommentar „Es geht um Fairness – nicht um Zensur“ in der FAZ vom 4.7.2018 plädiert die Stellvertretende Vorsitzende des Kulturausschusses des Europäischen Parlaments, Helga Trüpel, wie schon bereits in früheren Kommentaren, für eine starke ordnungsökonomische Antwort der Gesellschaft auf die Macht der Digitalkonzerne. Die Spielregeln im Umgang mit Daten und in diesem Fall auch mit den Urheberrechten sollten nicht von den großen Plattformen diktiert werden, sondern müssten gesellschaftliche gestaltet und für diese Konzerne verbindlich durchsetzbar gemacht werden. Wer den „digitalen Kapitalismus“ mit den Spielregeln der Sozialen Marktwirtschaft zähmen will, muss auf neue technologische Entwicklungen neue ordnungsökonomische Antworten entwickeln. Soweit die sehr überzeugende Grundhaltung von Frau Trüpel, die ich teile.

Sie kündigt an, im Europaparlament deshalb für die Vorschläge des Rechtsausschusses zur Reform des EU-Urheberrechts zu stimmen. Sie begründet dies mit der Fairness gegenüber den Kreativen, deren Schöpfungen von Digitalplattformen indirekt enorm erfolgreich vermarktet werden, an diesem Erfolg jedoch nicht fair partizipieren. Auch dieser Gedanke ist im Großen und Ganzen richtig. Der Teufel steckt jedoch im Detail, und hier macht es sich Frau Trüpel leider sehr einfach, auch wenn sie mit dem Rekurs auf den philosophischen Freiheitsbegriff und dem Berufen auf ordnungsökonomische Grundsätze versucht, die eher schlichten Argumente intellektuell zu veredeln.

Sie diagnostiziert, dass viele aus der „Netzgemeinde“, die sich gegen ein strengeres, auf die Digitalwirtschaft ausgelegtes Urheberrecht aussprechen, einem anarchistischen und letztlich „neoliberalen“ Freiheitsbegriff „auf den Leim gehen“. Diesen radikalen Freiheitsbegriff findet Frau Trüpel erstaunlich, weil doch ansonsten dieselbe Klientel etwa bei Fragen der Globalisierung sich für strikte Regulierungen des freien Marktes bzw. des Freihandels einsetzen, damit soziale und ökologische Standards gewährleistet werden. Dieser Interpretation widerspreche ich. Das Einsetzen für soziale und ökologische Regulierungen entspringt demselben Freiheitsbegriff: Freiheit erfordert, dass der Einzelne die Konsequenzen seiner Entscheidungen überschauen, bewerten, und verantworten kann. Bei Vorliegen von Externalitäten und Informationsasymmetrien gewährleistet aber der Markt und dessen Preissystem dies aber gerade nicht. Mit zunehmender Globalisierung wird es sogar immer schwieriger, die globalen Handlungsfolgen z.B. von Konsumentscheidungen zu verantworten, da sie sich nur sehr unzureichend im Preissystem widerspiegeln und somit die souveräne freie Entscheidung letztlich unterminieren. Die Begriffe „freier Markt“ und „Freihandel“, verstanden als ein möglichst unreguliertes System, sind ein völliges Missverständnis. Wer regulatorische Umweltstandards als „Hemmnis für den Freihandel“ bezeichnet, versteht von Allokationstheorie und dem Funktionieren von Märkten nichts. Hier kann man der angesprochenen Klientel also ein ein aufgeklärtes modernes Verständnis von Freiheit und Liberalismus zusprechen, was Frau Trüpel auch tut.

Mit demselben Freiheitsverständnis kann man nun fragen, wie es um die Macht der Digitalkonzerne und -plattformen bestellt ist und wie eine Gesellschaft regulatorisch bzw. ordnungsökonomisch darauf antworten soll. Die diesbezügliche Beschlussvorlage des Europaparlaments, dem Frau Trüpel zuzustimmen gedenkt, sieht vor, dass Digitalplattformen selbst, nicht nur die Nutzer, welche urheberrechtlich geschütztes Material hochladen, für die Urheberrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden. Daher sollen sie verpflichtet werden, Uploadfilter zu verwenden. In der Tat gibt es bereits Technologien, die von Google entwickelt und bei Youtube eingesetzt werden, welche Grundlage für solche Filter sein könnten (ContentID). Kritiker befürchten das Entstehen einer „Zensurmaschine“. Frau Trüpel wiederum weist dies zurück und argumentiert, dass es hier um Fairness gegenüber den Urhebern und nicht um Zensur ginge, und unterstellt den Kritikern unnötigerweise ein anarchistisches Freiheitsverständnis, also letztlich fehlenden Respekt vor den Kreativen. Das ist leider außerordentlich schlicht, zumal auch der sonstige Aufbau ihres FAZ-Beitrags logisch holpert. In zahlreichen Kommentaren, u.a. auch in der FAZ oder im Deutschlandfunk, wurde auf mehrere sehr gut begründbare Probleme dieser Filtertechnologie hingewiesen, die das eigentliche Ziel ggf. sogar unterminieren können. Auf all dies geht Frau Trüpel gar nicht ein. Sie wägt kein Für und Wider ab, sie stellt den Chancen der Zielerreichung nicht die Risiken von Kollateralschänden gegenüber. Als Politiker*in fühlt man sich vermutlich wirkmächtig, wenn man etwas beschließen kann, was die ökonomische und gesellschaftliche Realität gegen die Interessen der Großkonzerne verändert. Das übt einen großen Reiz aus, der einen leicht verdrängen lässt, wie wenig man als Politiker*in über die Details digitaler Technologien und deren ökonomischen Anreizwirkungen letztlich weiß. Nur zur Erinnerung seien ein paar Stichpunkte zu den Uploadfiltern genannt:

  • Diese Technologie ist sehr aufwändig, aber zwingend notwendig, wenn sich Konzerne vor Klagen gegen Urheberrechtsverletzungen schützen müssen. Um Millionen oder Milliarden von Content-Schnipseln auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen, müssen Algorithmen eingesetzt werden, die KI-basiert erlernen, wann es sich um eine Rechtsverletzung handelt. Wegen dieses sehr hohen Know-Hows und technologischen Aufwandes werden sich kleine Anbieter das nicht leisten können. Die Macht der ohnehin schon sehr großen Konzerne wirkt gestärkt, da nun kaum überwindbare Markteintrittsbarrieren bestehen.
  • Die Algorithmen werden nie perfekt in ihrem Urteil sein. Es wird Fehler erster und zweiter Ordnung geben (zulässiger Content wird falsch als unzulässig erkannt, unzulässiger Content wird falsch als zulässig erkannt). Da der zweite Fehler dem Konzern teuer zu stehen kommen kann, wird im Zweifel lieber viel zu viel als unzulässig aussortiert. Daher die Befürchtung der „Zensur“. Beispiele für Überfilterung finden sich täglich in den Medien. Da solche Digitalplattformen faktisch zu einer Infrastruktur gesellschaftlichen Austauschs geworden sind, muss mindestens ein Recht bestehen, zu Unrecht gefilterten Content doch wieder hochladen zu können.
  • Die Befürworter verwenden meist die sehr schlichten Beispiele um ihre Position zu begründen, etwa das unzulässige Hochladen eines Musikvideos von Beyoncé, wo auch der einfältigste Bürger einsehen kann, dass das nicht in Ordnung ist. Aber was ist, wenn diese Musik, vom Algorithmus gerade noch so identifizierbar, im Hintergrund eines privaten Partyvideos zu hören ist? Oder wenn jemand diesen Song nachspielt oder parodiert oder nur auf der Straße pfeift? Was ist mit verfremdeten, z.B. parodierenden Filmsequenzen? Das Urheberrecht gilt auch für Texte: Was ist mit dem Zitatrecht? Usw. usw. Es gibt sehr viele Beispiele, die nur auf den ersten Blick als konstruiert wirken, die aber einen sehr großen Teil gesellschaftlicher Debattenkultur und Kreativität ausmachen. Es reicht hier nicht darauf zu verweisen, dass es Beyoncé ganz sicher nicht darum geht, solche Dinge zu unterbinden. Es liegt gar nicht in der Hand von Beyoncé, sondern in der Hand ihrer Rechteverwerter sowie in der Hand der Abmahnindustrie. Also im Zweifel: lieber den Filter zu scharf stellen!
  • Der Schutz der Kreativen im Bereich Musik, Film, Text usw. ist außerordentlich wichtig und die Notwendigkeit einer fairen Vergütung sollte nicht bezweifelt werden. Da ist Frau Trüpel unbedingt zuzustimmen. Die Gesellschaft ist auf Kreative angewiesen. Was bei digitalen Gütern jedoch „fair“ bedeutet, ist nicht a priori klar und eindeutig. Das Reklamieren des Begriffes „fair“ für die eigene Position immunisiert diese und delegitimiert die Gegenposition. Das kann problematisch werden. Ich möchte daran erinnern, dass in aller Regel nicht die Kreativen unmittelbar, sondern deren Rechteverwerter von einer Vergütung profitieren. Diese verfügen ebenfalls über Marktmacht, und ihr Geschäftsmodell kann man zumindest teilweise als Extraktion von Renten verstehen. Die innere Anreizstruktur solcher Rechteverwerter führt häufig dazu, dass vor allem wenig erfolgreiche Kreative weit überproportional von Vergütungen profitieren („Superstar“-Phänomen), viele kleinere Kreative jedoch kaum oder gar nicht. Es sind daher Superstars wie Paul McCartney, die sich für die Verschärfung des Urheberrechts einsetzen, oder die Musikindustrie, die sich zum Anwalt des kleinen Künstlers aufschwingt. Man kann sich einmal umgekehrt die Frage stellen, ob ein Kreativer, der zwar jenseits der bekannten Plattformen gewisse Einnahmen mit seinen Leistungen generiert (oder auch nicht), auf den Plattformen sein Material sowie sämtlicher Content, den der Algorithmus irgendwie mit seinem geschützten Material in Verbindung bringt, aber geblockt wird, besser gestellt ist als jetzt. Würde er/sie das wollen? Technologien wie ContentID oder auch Experimente mit Blockchains könnten eine Möglichkeit bieten, jenseits kommerzieller Rechteverwerter einzelnen Kreativen die Möglichkeit zu geben, die Nutzung der Werke besser zu kontrollieren und ggf. Einnahmen zu generieren. Solche Ansätze entwickeln sich aber aus dem Know-How der Tech-Unternehmen heraus, nicht aus der staatlichen Regulierung derselben, die in ihrer ordnungsökonomischen Phantasielosigkeit erstarrt ist.

Das zweite große Gebiet der EU-Urheberrechtsreform ist das Leistungsschutzrecht, welches Digitalkonzerne dazu zwingen soll, für Text-Content (in erster Linie sind das Überschriften und Teaser von Nachrichten von Journalisten bzw. deren Zeitungsverlagen) etwas zu bezahlen. Ein solches Leistungsschutzrecht gibt es in Deutschland bereits, und es ist wirkungslos geblieben. Zwar muss z.B. Google („Google News“) Lizenzen erwerben, um das Recht zu erhalten, solche Überschriften und Teaser im eigenen Dienstleistungsangebot verwenden zu dürfen. Jedoch hat Google die Zeitungsverlage quasi gezwungen, solche Lizenzen kostenlos zu erteilen. Ansonsten würde man eben Nachrichten des betreffenden Zeitungsverlages bei „Google News“ einfach nicht mehr zeigen. Die Befürworter eines europäischen Leistungschutzrechtes argumentieren, dass die Gegenmacht der Verlage natürlich sehr viel größer werde, wenn dieses Recht nunmehr europaweit gelte. Man könne dann viel eher „auf Augenhöhe“ verhandeln. Auf den ersten Blick wirkt das überzeugend, und Politiker*innen genügt in aller Regel nur der erste Blick. Man stelle sich zwei Fragen:

  • Warum nur waren deutsche Zeitungsverleger bereit, Google solche Lizenzen kostenlos zu geben? Verleger erzielen Rückflüsse aus dem physischen Verkauf der Zeitungen und Zeitschriften, von Digital-Abos, vor allem aber durch Werbeeinnahmen und ggf. dem Verkauf von Nutzeer(meta)daten an Analysefirmen im Fall des Online-Angebotes. Google News hilft dabei, Nutzer auf die eigenen News-Seiten zu bekommen um dort Klicks und Werbeeinnahmen zu generieren. Davon profitieren die Verlage offenbar in dem Maße, das es ihnen profitabel erscheinen lässt, auf Lizenzeinnahmen zu verzichten statt nicht gelistet zu werden. Ökonomisch gesehen gibt es also bereits auch ohne Leistungsschutzrecht einen Preis für die Nutzung des digitalen Gutes, auch wenn hier keine monetären Zahlungen von Google erfolgen, aber doch eine digitale Leistung, die kein Verlag missen möchte. Es wäre sogar denkbar, dass Google eine Gebühr dafür verlangt, bei „Google News“ gelistet zu werden. In ähnlicher Weise zahlen Nutzer von Google Maps oder der anderen Diensten keinen monetären Preis, sie zahlen mit ihren Daten, welche die Konzerne außerordentlich erfolgreich verwerten. Das ökonomische Verständnis von Anreizstrukturen und Austauschbeziehungen ist eben ein wenig anders und komplexer als bei nicht-digitalen Gütern. Dennoch versuchen Politiker, das althergebrachte Instrumentarium des Urheber- und Leistungsschutzrechtes in derselben Weise auch im digitalen Bereich anzuwenden und verstehen dieses dann als „zeitgemäße Anpassung an die neuen digitalen Herausforderungen“. Im Grunde entstammen die Analyse- und Begründungsmuster aber noch aus der Zeit der Lehrbuch-Ökonomik nicht-digitaler Güter. Das trifft trotz ihrer lobenswerten Grundhaltung auch auf Frau Trüpel zu.
  • Wenn nun ein EU-Leistungsschutzrecht gilt, was würde sich substanziell an den ökonomischen Abwägungen der Verlage ändern? Das Argument, nunmehr „auf Augenhöhe“, also mit ähnlicher Marktmacht verhandeln zu können, setzt voraus, das sich alle Verlage zu einem Verhandlungskartell zusammenschließen – ordnungsökonomisch problematisch, wenn auch vielleicht tolerierbar im Sinn der „countervailing power“. Möglicherweise gelingt es tatsächlich, Google zu Lizenzzahlungen zu bewegen. Es ist aber mindestens ebenso wahrscheinlich, dass Google News in Europa ohnehin nicht gerade der große Profitbringer ist und dann kurzerhand eingestellt wird, weil man keine Lust hat mit einem europäischen Verlegerkartell zu verhandeln. Oder man listet nur noch nicht-europäische Konkurrenten. Das wäre dann ein toller Erfolg des Gesetzes. Um der Gefahr, dann eben weniger Klicks und weniger Werbeeinnahmen zu bekommen, besteht für einzelne Verlage dann der starke Anreiz, sich aus ökonomischem Eigeninteresse heraus aus dem Kartell zu verabschieden und Google wieder eine Gratislizenz anzubieten.

Ich wünsche mir, dass sich gewählte Politiker*innen nicht bloß mit dem Augenscheinlichen, dem ersten Blick, dem Vordergründigen, dem was sich technisch uninformierten Bürgern gut verkaufen lässt, begnügen. Kluge regulatorische Antworten auf neue digitale Herausforderungen erfordern leider eine Auseinandersetzung mit technischen und ökonomischen Detailfragen und dem mühseligen Abwägen von erwünschten Effekten und unerwünschten Kollateralschäden. Es ist nicht damit getan, mit großer Geste den Kritikern der eigenen Symbolpolitik einen „falschen Freiheitsbegriff“, Geringachtung der Kreativen und mangelnde Fairness zu unterstellen.

Hayek und der freie Markt

F.A. von Hayek gilt als der im besonders hohem Maß dem Liberalismus verpflichteten Vertreter der sog. Österreichischen Schule, manche würden ihn wohl als ultraliberal bezeichnen. In seinem umfangreichen Werk begründet er die entscheidende Rolle des Marktes in einer liberalen Gesellschaft vor allem mit dem Wissensproblem: niemand könne aus prinzipiellen Gründen besser über die eigenen Bedürfnisse und die lokalen Knappheitsbedingungen sowie Möglichkeiten der kreativen Veränderung besser Bescheid wissen als die Millionen Individuen selbst. Stattet man sie mit entsprechenden Freiheitsrechten aus und setzt diese auch durch, so sorgen Millionen dezentraler Interaktionen freier Individuen für eine spontane selbstorganisierte Ordnung, welche am ehesten die beste Allokation knapper Ressourcen, oder allgemeiner: die Lebensumstände hervorbringt, unter denen die Individuen zu leben wünschen. Dabei wird diese Selbstorganisation als fortwährender Prozess gesehen, der nicht in einem finalen Gleichgewichtszustand endet wie z.B. in der Neoklassik (häufiges Missverständnis: „neoliberal“ = „neoklassisch“ = „Mainstream VWL“). Ob der Markt wirklich das „beste“ Ergebnis hervorbringt, lässt logischerweise nicht sagen, denn dafür bräuchte man einen Vergleichsmaßstab und somit das Wissen, das man als einzelner Beobachter oder Institution eben nicht hat. Man kann es aber glauben. Ups…. Der Staat hat vornehmlich die Aufgabe, die Regeln zu definieren und für deren Einhaltung zu sorgen, die die freie Entfaltung des Individuums gewährleisten. Neben z.B. Vertrags- und Eigentumsrechten zielen die Regeln auch darauf ab, die Entstehung von Macht zu verhindern, denn dauerhafte Marktmacht schränkt letztlich die Freiheit der anderen Marktteilnehmer ein. Letztlich führt jeglicher Staatseingriff darüber hinaus, also z.B. Umverteilung von Einkommen oder sonstige regulatorische Eingriffe, auf eine schiefe Ebene, die – so Hayek – geradewegs in den Sozialismus führt. Mit den systematischen Funktionsdefiziten planwirtschaftlicher sozialistischer Systeme hat sich Hayek ausgiebig beschäftigt, und der Zusammenbruch der Sowjetunion und der DDR, den er noch miterlebt hat, dürften wohl eine Genugtuung für ihn gewesen sein. Auch bezüglich möglicher Krisen setzt Hayek ganz auf die Selbstreinigungskräfte des Marktes. Staatsinterventionen führen in die Irre. Begründet wird dies dadurch, dass die durch freiheitliche Interaktionen auf Märkten entstandene soziale Ordnung komplex ist, und Interventionen in komplexe Systeme durch prinzipiell mit Informationen unterversorgten staatlichen Stellen gefährden die Ordnung. Radikal zu Ende gedacht impliziert diese staatliche Zurückhaltung auch den Rückzug des Staates aus Bereichen wie Bildung, Kultur, Infrastruktur, Gesundheitswesen, Landesverteidigung oder sogar aus dem Geldwesen. Hayek schlug ein „Free Banking“ vor, da er dem staatlichen Notenbankmonopol misstraute, und der Markt viel besser in der Lage sei herauszufinden, welcher Art von privat emittierter Währung am ehesten zu trauen sei.

Ich lasse es mal bei dieser arg verkürzten Charakterisierung des Liberalismus á la Hayek bewenden. Auch wenn die meisten liberalen Ökonomen eher dem Ordoliberalismus zuneigen, der dem Staat – im Vergleich zu Hayek – zu sehr viel weitgehenderen Maßnahmen legitimiert sieht wie z.B. Umverteilungsmaßnahmen oder sozialen Sicherungssystemen, so leben Hayeks Ideen nach wie vor z.B. in Gestalt der Hayek-Gesellschaft und anderen Kreisen fort.

Hayek, 1992 im sehr hohen Alter von 93 Jahren verstorben und 1974 mit dem Wirtschafts-Nobelpreis (jaja, schon klar, es ist der Nobel-Gedächtnispreis) ausgezeichnet, mag vielleicht die Entwicklungen in der VWL seit den 1970er Jahren nicht mehr allzu intensiv rezipiert haben. Seine aktuellen Verehrer hingegen schon. Ich möchte hier auf drei Dinge hinweisen, die m.E. keine Marginalien sind, sondern den Kern des Hayekschen Vertrauens in den Markt logisch-konzeptionell infrage stellen.

1. Ein Kernargument Hayeks ist, dass das Wissen dezentral verstreut ist, und keine Institutionen sich „anmaßen“ könne (so seine Formulierung) besser Bescheid zu wissen als die Individuen selbst. Das ist richtig, und dem widerspreche ich auch nicht. Nur: die Tatsache, dass bei der Interaktion freier Individuen diese eben auch nicht alles wissen, die Informationen also asymmetrisch verteilt sind, d.h. private Informationsunterschiede vorliegen, führt unter recht allgemeinen Bedingungen zu ineffizienter marktlicher Interaktionen. D.h. der Markt führt eben nicht automatisch zu einer beiderseitig wünschenswerten Zustand. Diese in den 1970er und 1980er Jahren entwickelten Überlegungen zur Theorie asymmetrischer Informationen (etwa Akerlofs „Market for Lemons“) sind inzwischen nobelpreisgekrönt und absoluter Mainstream, auch in einführenden Lehrbüchern der VWL. Dieses Phänomen ist nicht randständig, es ist ubiquitär. Es findet sich in allen Lebens- bzw. Wirtschaftsbereichen. Die Umstände des Auftretens und die Konsequenzen sind analysierbar, und man muss nicht der allwissende Gott sein um halbwegs sinnvolle regulatorische Eingriffe gestalten zu können, um dem Markt auf die Sprünge zu helfen.

Wie ich an anderer Stelle argumentiert habe, führt dies zu einem Paradox: Je mehr sich die Menschen für die Konsequenzen ihrer Entscheidungen interessieren – und ein Liberaler dürfte wohl ein großes Interesse daran haben, dass man für frei getroffene Entscheidungen auch bereit ist, die Konsequenzen zu verantworten! – desto weniger informiert sind die Individuen, je mehr Interaktionen über Märkte stattfinden. Denn: Das Preissystem mag über Ressourcenknappheiten informieren, aber z.B. über die sozialen oder ökologischen Bedingungen der global verstreuten Produktionsketten informiert es nicht oder unzureichend. Man kann lediglich erahnen, dass das T-Shirt für 3 Euro wohl eher nicht bei einem deutschen Schneiderbetrieb, sondern unter unsäglichen Bedingungen in Kambodscha hergestellt wurde. Falls der Konsument aber Verantwortung für die sozialen und ökologischen Bedingungen der Herstellung des Produktes, welches er zu kaufen gedenkt, übernehmen möchte, so hat er – wegen asymmetrischer Informationsverteilung – nicht ohne weiteres die Möglichkeit, dies in seiner Zahlungsbereitschaft am Markt auszudrücken. Das Preissystem ist somit chronisch unvollständig und führt zu Fehlkallokationen. Die selbstorganisiert erzeugte Lebenswirklichkeit ist am Ende dann nicht so, wie man sie sich vorgestellt hat, gleichwohl hat man als freier Mensch kaum Einfluss darauf, wenn man sich auf den Markt verlässt. Das Paradox besteht darin, dass dieser Effekt gerade dann nicht eintritt, wenn einem die Handlungskonsequenzen völlig egal sind, Freiheit und Verantwortung also entkoppelt sind. Das kann kein Liberaler wirklich wollen, es widerspricht der Idee der Freiheit.

2. Im Anschluss an das vorige Argument hat die Verhaltensökonomik gezeigt, dass Menschen durchaus soziale Präferenzen haben: sie schauen nicht nur auf die Handlungskonsequenzen für sich selbst, sondern auch für andere. Nicht allein die Konsummenge oder der Gewinn sind entscheidend, sondern wie sich das im Vergleich zu den Nachbarn darstellt. Mitgefühl, Neid, Fairness: all diese Dinge spielen eine Rolle, wenn es um die subjektive Bewertung von Handlungsfolgen (Ökonomen sagen: Nutzen oder Präferenz) geht. Das ist experimentell bzw. empirisch erwiesen und dürfte wohl auch der Alltagsintuition entsprechen. Und nicht nur die Konsequenzen für sich selbst im Vergleich zu anderen spielt bei der Bewertung eine Rolle, sondern auch, unter welchen Umständen dieses Ergebnis zustande gekommen ist, z.B. ob man gute oder schlechte Intentionen der anderen Menschen vermutet. Auch die Frage, unter welchen Spielregeln sich diese Konsequenzen eingestellt haben (z.B. ob ich reziproke Antwortmöglichkeit hatte in Bezug auf das Verhalten der anderen) beeinflusst die Bewertung des Ergebnisses. Kurz gesagt: Menschen haben soziale Präferenzen, die sich u.a. in Fairness-Präferenzen, beispielsweise in Aversion gegenüber Ungleichheit ausdrücken. Das ist jedoch ein eklatanter Widerspruch zu der Behauptung Hayeks, dass es allein auf die freiheitssichernden Spielregeln ankomme, und jegliche „Umverteilung“ der Marktergebnisse quasi „vom Teufel“ seien, m.a.W. der „Weg in den Sozialismus“. Denn nur die Regeln selbst könnten „gerecht“ sein, aber auf die Beurteilung des Ergebnisses der selbstorganisierten Ordnung könne man Gerechtigkeitskriterien nicht anwenden. So lehnt er schon den Begriff der „sozialen Gerechtigkeit“ (im Hinblick auf Verteilung) kategorisch ab. Wenn Menschen aber soziale Präferenzen haben, und dafür spricht alles, was wir von der Verhaltensökonomik wissen, dann lassen sich allokative Effizienz und Fragen gerechter Verteilung schon rein konzeptionell nicht trennen: das Pareto-Kriterium für Effizienz, ein ultra-individualistisches und somit auch ultra-liberales Kriterium, welches die subjektive Bewertung eines Zustandes eines jeden einzelnen Individuums zum Maßstab macht, schließt die Bewertung von Ungleichverteilung oder auch sonstigen Fairnessbedingungen logisch zwingend mit ein. Fragen von Effizienz und Gerechtigkeit sind konzeptionell nicht trennbar.

3. Oben wurde das Phänomen der „Verantwortungsdiffusion“ durch Vorliegen von Informationsasymmetrie begründet. Es gibt aber noch ein zweites, anders gelagertes Argument aus der jüngeren verhaltensökonomischen Forschung, welches zu einem ähnlichen Ergebnis führt. Wie im vorigen Punkt ausgeführt, haben die meisten Menschen soziale Präferenzen, so dass das Ziel einer freiheitlichen Ordnung, sagen wir: die Herstellung von Lebensumständen wie sie von den Individuen gewünscht werden, keine logische Trennung von Allokations- und Gerechtigkeitszielen erlaubt. Soziale Präferenzen können auch ethische Überzeugungen und Normen mit einschließen, Das ist ein wichtiger Punkt, auf den schon Adam Smith hingewiesen hat („Theory of Moral Sentiments“). Nun zeigt sich aber, dass die Bereitschaft, sich an seine eigenen moralischen Überzeugungen zu halten, gerade dann stark erodieren, wenn es zu marktlichen Transaktionen kommt. Haben Menschen für (gemäß ihrer eigenen individuellen Überzeugung) moralisch richtige Wahlentscheidungen eine klare Präferenz und somit Zahlungsbereitschaft, so schwindet diese zusehends, wenn sie unter wettbewerblichen bzw. marktlichen Bedingungen miteinander interagieren. Der Markt als sozialer Mechanismus ist somit nicht neutral. Die dadurch wahrgenommene und letztlich auch faktische Verantwortungsdiffusion verleitet dazu, sich eben nicht entsprechend seiner eigenen Präferenzen zu verhalten – selbst dann, wenn keinerlei Informationsasymmetrie vorliegt.

Allein nur diese drei Überlegungen aus der Informationsökonomik und der Verhaltensökonomik, die mittlerweile Mainstream-Wissen sind, lassen den Glauben an die prinzipielle Überlegenheit rein marktlich, vom Staat möglichst unbeeinflusster Interaktion als geradezu groteske Fehlinterpretation des Marktes erscheinen. Es mag ja richtig sein, dass es keinen besseren Prozess gibt, schon gar nicht die Planwirtschaft, aber immerhin weiß man genug um Bedingungen und Muster von Funktionsproblemen zu erkennen, die durch regulatorische Eingriffe zumindest gelindert werden können. Wer sich mit jeglicher formal-theoretischer Modellierung sowie empirischer Überprüfung der eigenen Thesen, etwa der philosophischen Begründung der Überlegenheit des selbstorganisierenden Marktes, so schwer tut wie die Österreichische Schule, der lebt gefährlich nahe an der Immunisierung der eigenen Überzeugungen gegenüber jeder empirischen Kritik, und muss folglich damit leben unter Ideologieverdacht zu stehen.

Werbung auf SPIEGEL online: Leser, zieh blank!

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Nachdem lange Zeit das Plugin uMatrix von SPIEGEL online entweder nicht erkannt oder aber toleriert wurde, so erscheint nunmehr ein alles verdeckendes Popup-Fenster, welches nicht nur einfach fordert den Adblocker auszuschalten, sondern darüber hinaus informiert: “Sie haben gar keinen Adblocker oder bereits eine Ausnahme hinzugefügt? Bitte prüfen Sie, ob Sie ähnliche Erweiterungen, Do-not-Track-Funktionen oder den Inkognito-Modus aktiviert haben, die ebenfalls Werbung unterdrücken. Nutzen Sie einen Script-Blocker wie uBlock Origin oder Ghostery? Dieser könnte fälschlicherweise als Adblocker erkannt werden, wenn er entsprechend eingerichtet ist. Bitte prüfen Sie in den Einstellungen des Script-Blockers, ob auch Werbung unterdrückt wird, und erstellen Sie dort eine Ausnahmeregel für SPIEGEL ONLINE.“ (Fettdruck von mir)

Im Klartext: Sie müssen sich tracken lassen! Sie dürfen nicht inkognito lesen! Sie müssen im Prinzip alle Skripte zulassen, mit denen wir Informationen, die wir über Ihr Verhalten tracken, mit zahlreichen Datenanalyse-Firmen austauschen. Ziehen Sie blank und pfeifen Sie auf Privatsphäre! Wir können mit Werbung nur dann etwas verdienen, wenn wir genau das machen, was die Werbeindustrie technisch kann und deshalb von uns verlangt: Sie bis aufs Knochenmark zu durchleuchten und die Informationen für immer effektivere Werbung nutzbar machen.

Eine gezielte Konfiguration der Plugins dergestalt, dass nur bestimmte Skripte oder Cookies zugelassen werden, welche die Funktionalität der Webseite gewährleisten, andere aber nicht, ist praktisch aussichtslos. Die entsprechende Aufforderung von SPIEGEL, die “Einstellungen des Blockers zu prüfen”, kann jemand, der nicht Informatik studiert hat, nur als völlig naiv (oder perfide) belächeln: Es sind Dutzende Cookies und Skripte und APIs, die aktiv sind und die sich zudem permanent ändern, so dass man faktisch alles zulassen muss. Siehe dazu die kleine uMatrix-Tabelle am Ende des Textes, welche nur eine kleine Momentaufnahme darstellt, die sich beim weiteren Surfen ständig ändert. Wer keine unfreiwillige Interaktion mit Datenfirmen wie Doubleclick, Emetriq, Meetrics, Emsmobile, Parse.ly, Optimizely, GoogleAnalytics usw. möchte (siehe unten), muss sich offenbar den kompletten SPIEGEL physisch am Kiosk kaufen, selbst wenn einen nur ein oder zwei Artikel interessieren.

Neben dem furchtbaren Werbemüll, der für mich eine Geißel der Menschheit ist, und neben dem beklemmenden Gefühl nicht zu wissen, wenn man SPIEGEL online (oder andere Seiten) liest, wer jetzt gerade im Moment welche Informationen über mein Lese- bzw. Klickverhalten bekommt, um raffiniertere Manipulationsmöglichkeiten auszuschöpfen, gibt es ein weiteres Ärgernis: Wenn sich auf SPIEGEL online kritische Journalisten ach so kritisch mit den Gefahren von Google, Facebook und Amazon auseinandersetzen, die Gefahren der Durchleuchtung der Kunden und Nutzer, der Monopolisierung der Metadaten, deren Auswertung mit KI-Methoden durch die Datenindustrie usw. usw. diskutieren, dann sage ich dem Autor nur: Junge (oder Mädel), du weißt aber schon, dass du hier auf einem Medium schreibst, welches mit Haut und Haar Teil dessen ist, was du hier kritisierst, dass ich deinen technik- und industriekritischen Artikel nur lesen kann, weil ich zulasse, dass mich die von dir kritisierte Werbe- und Datenindustrie jetzt gerade ausforscht, und dass du dein Gehalt oder Tantieme von SPIEGEL online auch nur deshalb bekommst? Was soll ich da von deiner Glaubwürdigkeit halten?

Wenn Leitmedien gerne auf die wichtige gesellschaftliche Funktion von “gutem Journalismus” verweisen, dann nehme ich mal an, dass sie Werbung eher als notwendiges Übel betrachten, weil sie eben Geld verdienen müssen. Wer möchte schon freiwillig seinen gut recherchierten Text mit blinkendem bunten Ramsch verunstalten? Und wer möchte schon, während man im Text den Leser im Geiste der Aufklärung informiert und so zur Selbstbestimmung mündiger Bürger beiträgt, ihn durch die im Hintergrund werkelnden Algorithmen die Kontrolle über seine Handlungskonsequenzen entziehen und unfreiwillig zur Verfeinerung manipulativer Mechanismen beitragen lassen?

Aber leider reicht die unternehmerische Fantasie offenbar nicht aus, um andere Modelle zu entwickeln, um sich vom Klammergriff der Datenindustrie zu emanzipieren. Die digitalen Bezahlmodelle (wie der “Tagespass” oder der “Wochenpass”) sind ein guter Anfang. Damit bekommt man interessanten Content hinter der Paywall. Aber von Werbung und Tracking wird man selbst dann nicht verschont. Wieso nicht? Dass Leser, die im 21. Jahrhundert Wert auf Privatsphäre und Datensouveränität legen, für “guten Journalismus” quasi gezwungen sind auf Printmedien vom Kiosk zurückzugreifen, weil die Verlage im Onlinebereich bereits zu abhängig von der Datenindustrie sind und zu unfähig  sich aus dieser Abhängigkeit zu lösen, mutet geradezu dystopisch an.

PS: Der Text bezieht sich zwar auf SPIEGEL online, andere Nachrichtenportale sind aber auch nicht viel besser. Jedoch war die oben zitierte völlig unverhohlene dreiste Aufforderung, Do-not-track und Incognito-Modus abzuschalten, ausschlaggebend für die Wahl des Adressaten. An die SPIEGEL-Redaktion zu schreiben ist übrigens zwecklos; man erhält eine Textbaustein-Antwort mit dem zu erwartenden Blabla.

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