Handelsverträge und der “Club der Willigen“

Nordhaus’ Vorschlag des “Clubs der Willigen” sieht vor, dass handelsstarke Länder, die sich zu einem effektiven Klimaschutz verpflichtet haben und damit einen Beitrag zu einem globalen öffentlichen Gut leisten, die weniger willigen Länder, die lieber “free rider” beim Klimaschutz sein wollen, zu einem stärkeren Engagement bewegen, indem Handelserleichterungen nur gegen eine entsprechende wirksame Klimapolitik gewährt werden, also eine Konditionierung der Handelserleichterungen erfolgt. Da der “Club” eine gewichtige Rolle im Welthandel spielt, also ein bedeutender Handelspartner ist, dürften andere Länder ein entsprechendes Interesse an Handelserleichterungen haben und somit diesen Deal eingehen. Da die bisherigen Selbstverpflichtungen zum Klimaschutz, wie etwa das Paris-Abkommen, keine Sanktionsmechanismen haben, d.h. ein Gefangenendilemma bzw. Öffentliches-Gut-Spiel vorliegt, dienen hier bindende Verträge aus einem anderen Politikbereich (Handel) als ein Ersatz, um doch noch einen (indirekten) Sanktionsmechanismus zu etablieren. Auf diese Weise wird Klimaschutzpolitik über das Vehikel der Handelspolitik in ihrer Wirkung vervielfacht. Der Verweis darauf, dass Deutschland ja “nur” 2% zu den CO2-Emissionen beitrage, und selbst die gesamte EU weniger emittiert als China, kann dann nicht als Ausflucht gelten: Das Gewicht im Handel ist sehr groß, und dementsprechend kann es nur gelingen, große Handelspartner zu einem Klima-Committment zu bewegen, wenn auch die eigenen Klimaziele erreicht werden – denn Nordhaus’ Vorschlag bindet auch die Mitglieder des “Clubs der Willigen”, so dass diese nicht nur durch die brüchige kollektive Vernunft, sondern simpel durch Eigeninteresse weiterhin “willig” bleiben.

Globalisierung und die wechselseitige Abhängigkeit der Länder aufgrund komplexer Wertschöpfungsketten ist hier geradezu ein Vorteil um das Anreizproblem bei einem derart existentiellen Thema zu lösen. Je mehr ich auf das Funktionieren dieser Wertschöpfungsketten angewiesen bin, desto höher mein Interesse, bei einem derart konditionierten Handelsvertrag mitzumachen. Das erfordert eine neue Generation von Regional Trade Agreements (RTA), denn eine Implementation auf multilateralem Weg (WTO) würde angesichts der drängenden Zeit viel zu lange dauern.

Diese neue Generation von RTAs sollte also eine Konditionalität vorsehen: wohldefinierte Pakete von Handelserleichterungen müssen quasi “erworben” werden durch überprüfbare Erfolge bei der Reduktion von Treibhausgasen sowie dem Schutz der CO2-Absorptionskapazitäten (z.B. Regenwald). Es sollte auch möglich sein, im Vergleich zum Status Quo zusätzliche protektionistische Maßnahmen zu verhängen, wenn die Emissionsreduktion die gesetzten Ziele nicht erreicht oder sogar ansteigen (oder z.B. Regenwald abgeholzt wird). Da davon auszugehen ist, dass CO2-Emissionen in irgendeiner Form bepreist werden, sind border adjustments selbstverständlich Bestandteil der Abkommen. Nicht oder unzureichend CO2-bepreiste Importgüter werden an der Grenze nachbesteuert um ein level playing field zu schaffen, d.h. heimische Produzenten im “Club der Willigen” sollen keinen Preisnachteil haben dadurch, dass CO2 innerhalb des Clubs einen hohen Preis hat. Umgekehrt muss auch beim Export eine Rückerstattung zumindest eines Teils des entrichteten CO2-Preises möglich sein, um keinen Preisnachteil beim Export außerhalb des “Clubs” zu haben. Auf solche adjustments kann in dem Maß verzichtet werden, wie die Handelspartner ebenfalls solche Preise einführen.

Neben dem Klimaproblem können im Prinzip auch andere Problemfelder die Handelserleichterungen konditionieren, etwa die Einhaltung von Menschenrechten oder ILO-Normen. Spielregeln, die die Art und Weise, wie wir produzieren und konsumieren, arbeiten und leben, so gestalten sollen, wie es den Präferenzen der Menschen in allen am Handel beteiligten Ländern entspricht, sollen nicht durch den Hinweis unterminiert werden, dass sie ja die Wettbewerbsfähigkeit auf den globalisierten Märkten senken. Würde man diesem Argument folgen, so würde zwar (vielleicht) mehr Handel getrieben, aber man befände sich schnurstracks auf dem Weg in Richtung Pareto-Ineffizienz, denn dieses Mehr an Gütern wird unter Bedingungen erzeugt, die die Menschen letztlich nicht präferieren. Und das ist der Maßstab ökonomischer Vernunft: die knappen Ressourcen so einzusetzen, dass Lebensbedingungen erzeugt werden, die von möglichst vielen präferiert werden. Das schließt nicht bloß die schiere Menge an produzierten bzw. konsumierten Gütern ein, sondern auch die Art und Weise, wie sie produziert werden. Und es schließt nicht nur die aktuell lebende, sondern auch künftige Generationen ein. Letztere würden sonst in ihrer Freiheit, ihre eigenen Lebensumstände durch Marktentscheidungen und demokratischen Wahlen bestimmen zu können, eingeschränkt. Und das kann ja wohl nicht Sinn des “Frei”handels sein.

Langfristig führt ein solches Schleifen der Spielregeln zugunsten einer Erhöhung des Handelsvolumens zu ihrer Delegitimation, auch zu Ressentiments gegenüber vertiefter Globalisierung. Eine Konditionierung der Handelserleichterung durch länderübergreifende andere Ziele, wie etwa den Klimaschutz oder den Menschenrechten, kann Globalisierung als schlagkräftiges Vehikel der Durchsetzung dieser Ziele an Zustimmung gewinnen. Das Abkommen zwischen der Europäischen Union und den MERCOSUR-Staaten könnte, wenn es denn neu verhandelt würde (!), zu einer Blaupause für eine solche neue Generation von RTAs werden. In der derzeitigen Form ist von Nordhaus‘ Idee leider nichts zu sehen.