Das Konzept sieht kurz gesagt vor, auf Käufe von Aktien großer Unternehmen eine Transaktionssteuer von 0,2% zu erheben. Aktien mittlerer und kleinerer Unternehmen sowie andere finanzielle Assets, vor allem Derivate, werden nicht besteuert.
“Es werden vor allem Kleinsparer zur Kasse gebeten, also z.B. normale Haushalte, die etwas für ihre Altersvorsorge tun wollen”. Nun ja, wer als Kleinsparer für 1000,- Euro Aktien großer Unternehmen kauft und lange halten will, zahlt einmalig 2,- Euro. Wer vor 5 Jahren 10.000,- Euro in DAX-Werten angelegt und dafür einmalig 20,- Euro hätte zahlen müssen, hätte heute also einen Zuwachs von “nur” 3280,- statt 3300,- Euro. Bei einer unsicheren Anlage sind solche Unterschiede Größenordnungen, die im statistischen Rauschen untergehen. Die Erbostheit und Dramatik dieser Kritik ist völlig überzogen.
Kleinsparer könnten ja Aktien kleinerer und mittlerer Unternehmen kaufen, wenn sie die Steuer umgehen wollen. Das allerdings halte ich für das viel gravierende Problem: wie wird diese völlig willkürliche marktverzerrende Diskriminierung begründet, nur Transaktionen bestimmter ausgewählter Aktien zu besteuern?
Viele Kritiker halten Scholz’ Vorschlag für unzureichend, d.h. die Transaktionssteuer geht nicht weit genug. Alle Aktien und auch Derivate usw. sollten ihrer Ansicht nach einbezogen werden. Dann aber entbehrt das Jammern über die belasteten Kleinsparer der Logik, denn es würden dann ja mehr und nicht weniger Assets besteuert. Kleinsparer können durchaus, statt nur Aktien zu kaufen, ihr Kleinvermögen durch Algo-Trader verwalten lassen, die mehr als nur Aktien in ihr Portfolio einbeziehen. Das würde dann entsprechend teurer, wenn man den Vorschlag von Scholz noch weiter ausdehnen würde.
“Die eigentlichen Verursacher der Finanzkrise, die Spekulanten, trifft man mit diesem Steuerkonzept gar nicht.” Hier sind gleich mehrere Vorurteile und Merkwürdigkeiten versammelt:
“Verursacher der Finanzkrise”? Die Finanzkrise von 2008 ist Resultat eines Geflechts von Ursachen und Wirkungsketten. Es fängt an bei der staatlichen Förderung des Häuserkaufs für Familien mit geringem Einkommen im US-Markt, gestützt durch niedrige Zinsen der Fed, was zur Entwicklung des Subprime-Marktes geführt hat, welcher einen Anreiz zur Überschuldung gab. Es geht weiter über neue Finanztechniken der Bündelung, des Tranching und der Verbirefung der Subprime-Ansprüche, die dann an Dritte weiterkauft wurden. Und weiter über das unsachgemäße und über-optimistische Rating dieser Derivate durch Rating-Agenturen. Auch die Globalisierung der Kapitalmärkte, die eine internationale Diversifizierung von Portfolios möglich machte, spielt eine Rolle, so dass eigentlich “toxische” Derivate auch von Banken anderer Länder gehalten wurden (allerdings meist im Glauben an das AA-Rating). Ferner die Verflechtung der Finanzinstitute untereinander, was zu Ansteckungs- und Kaskadeneffekten im Fall der Schieflage v.a. “systemrelevanter” Player führen kann. Schließlich gibt es selbstverstärkende Effekte durch Geldmarktfonds, welche Banken kurzfristige Liquidität bereitstellen, selbst aber Run-anfällig sind und bei kurzfristigem Abzug ihrer Mittel aufgrund von Nervosität der Anleger ihrerseits den Banken Liquidität entziehen müssen genau dann, wenn diese sie aufgrund derselben Nervosität am meisten brauchen. Undsoweiter, undsoweiter. Wem die technischen und ökonomischen Details zu kompliziert sind, der fasst es gern mit “Die Spekulanten sind Schuld” zusammen und schimpft auf “zockende Banken”. Solchen Leuten würde ich aber nur sehr ungerne die Deutungshoheit über die Finanzkrise oder die Gestaltung der Spielregeln für das Finanzsystem und regulatorischen Eingriffe überlassen. Nach 10 Jahren der Diskussion überkommen mich inzwischen narkoleptische Anfälle, wenn wieder jemand von “zockenden Banken” schwadroniert.
“Die Spekulanten”: Ökonomisch gesehen ist Spekulation das Ausnutzen (erwarteter) Preisunterschiede in der Zeit. Der (erwartete, jedoch unsichere) Gewinn wird nicht durch Erstellung einer sichtbaren ökonomischen Leistung, einer Wertschöpfung erzielt, sondern nur durch das Kaufen und Verkaufen eines Assets zur richtigen Zeit. Das erscheint vielen ZeitgenossInnen suspekt und nährt eine tief verwurzelte Aversion gegen “Spekulanten” (übrigens ein Ausdruck, der auch bei Grünen und Linken äußerst selten in gegenderter Form vorkommt). Wenden wir uns wieder dem Kleinsparer zu, der Aktien für seine Altersvorsorge kauft. Selbstredend wird hier akzeptiert, dass unser Kleinsparer von einer Wertsteigerung über viele Jahre hinweg ausgehen kann. Was ist das anderes als Spekulation? Man kann sich auch nicht herausreden damit, dass es ja in der langen Frist “fundamentale” Gründe für eine Wertsteigerung gibt. Ja, klar. Aber auch diese sind unsicher und man muss darüber Erwartungen bilden. Es gibt auch kurzfristige fundamentale Gründe, wenn ich z.B. aufgrund von Wetterprognosen Ernteausfälle erwarte und deshalb bestimmte Agro-Wertpapiere lieber schon heute verkaufe. Oder wenn ein populistischer unberechenbarer Staatschef den Notenbankchef feuert und gegen einen unfähigen Vasallen austauscht, wird das mein Vertrauen in die Währung dieses Landes nicht gerade stärken und ich werde diese Währung aus dem Portfolio schmeißen. Der Kurs wird entsprechend sinken. Und das ist auch der ökonomische Sinn hinter Spekulation: die schnelle Einspeisung neuer Informationen oder auch nur Erwartungen in das Preissystem der Finanzmärkte. Problematisch kann es zwar durchaus werden, wenn Erwartungen selbstreferentiell werden und dann z.B. Kurse deshalb und nur deshalb steigen, weil alle Marktteilnehmer glauben, dass alle anderen Teilnehmer an steigende Kurse glauben und deshalb investieren. Es gibt aber keine Möglichkeit, im vorhinein “gerechtfertigte” von “übertreibender” Spekulation zu unterscheiden. Das würde Wissen voraussetzen, das niemand im vorhinein haben kann.
Übrigens setzen viele Finanzinvestoren – die den Vorurteilen nach angeblich immer nur kurzfristige Profitmaximierer sind – verstärkt auf grüne Investments, weil sie erkennen, dass in der langen Frist nur eine dekarbonisierte und ressourcensparende Wirtschaft erfolgreich sein kann. Im klassischen Sinn spekulieren sie also auf Green Economy. Das führt dazu, dass grüne Assets inzwischen knapp werden. Grüne Fonds können so zwar stolz ihre Wertentwicklung zeigen und Green Investment muss nicht nur vom guten Gewissen leben, sondern kann auch Renditen vorweisen, wenigstens auf dem Papier. Aber Anlegeprofis warnen schon vor Übertreibungen: Fangen alle an, verstärkt grüne Investments nachzufragen, übertreibt die Wertentwicklung die derzeit erkennbare und abschätzbare Wertschöpfung in diesen Bereichen.
Nebenbei: Die selektive Wahrnehmung, bei politisch angenehmen Investments das Wort “Spekulation” tunlichst zu vermeiden, und diese in allen anderen Fällen mit “Zocken” gleichzusetzen und ihr somit eine rein negative Konnotation aufzudrücken, ist auch in anderer Hinsicht merkwürdig. Bei zinstragenden Assets mit festen Ansprüchen fühlt man sich dem “zockenden” Anleger, der in volatile unsichere Assets investiert, moralisch überlegen. Man investiert ja solide, konservativ. Der Mehrwert, den eine Investition letztlich durch reale Wertschöpfung hervorbringen soll, wird aber immer unter Unsicherheit, also einem unternehmerischen Risiko erzeugt. Der “zockende” Anleger, dessen Spekulation – siehe oben – immerhin i.d.R. auch die Informationseffizienz des Preissystems erhöht, trägt selbst ein ökonomisches Risiko. Der Anleger in Zinstitel nicht. Wieso sollte es moralisch wertvoller sein, einen fast risikolosen (und im Bankrottfall: priorisierten) Anspruch auf einen Mehrwert geltend zu machen, der nur unter hohem unternehmerischem Risiko erzeugt werden kann?
Zurück zu den Aktienkäufen, die nach Scholz’ Vorschlag besteuert werden sollen. Wie bereits gesagt, sind die einmaligen Kosten in dem Fall, wo die Aktie langfristig gehalten wird, vernachlässigbar. Kommen wir jetzt zu den bösen Zockern, die lediglich “kurzfristig spekulieren” wollen und deshalb ihr Aktienportfolio täglich, ja stündlich umbauen. Diese wären allerdings durch die Transaktionssteuer sehr stark getroffen. Würde ich oben genanntes 10.000,- Euro DAX-Aktienportfolio täglich umbauen, wären nach 5 Jahren (bei 5 Handelstagen die Woche) nicht nur 20,- sondern 2.600,- Euro Transaktionskosten fällig. Der Hochfrequenzhandel im Millisekundenbereich käme gänzlich zum Erliegen (jedenfalls der Handel mit dieser Sorte von Aktien). Also insofern ist der Vorschlag sehr wohl geeignet, diese “kurzfristige Spekulation” zu beenden. Würde der Vorschlag auf alle möglichen finanziellen Assets ausgedehnt, so käme jedweder Hochfrequenz- oder auch nur kurzfristig orientierte Handel zum Erliegen. Ich gehe davon aus, dass vielen KritikerInnen der Scholz-Vorschlag nicht weit genug geht, was das Eindämmen kurzfristiger Spekulation angeht. Aber man kann nicht behaupten, dass der Vorschlag nicht im Grundsatz dazu geeignet ist – falls man denn dieses Ziel hat.
Hier kommen wir nun zu dem ursprünglichen Zweck einer Finanztransaktionssteuer, welche durch die Tobin-Steuer inspiriert wurde. Man möchte die hohe Volatilität (und dadurch erzeugte Unsicherheit), die sich nicht durch fundamentale Faktoren erklären und somit rechtfertigen lässt, verringern, und auch das Abdriften der Preisentwicklung vom “Fundamentalwert” vermeiden. Das soll insgesamt zu einer höheren “Finanzstabilität” beitragen.
Wird denn die Volatilität eingedämmt? Empirische Erfahrungen von Ländern mit einer Transaktionssteuer zeigen, dass das eher nicht der Fall ist. Warum überrascht mich das nicht? Wie oben gezeigt, führt kurzfristige Spekulation dazu, dass viele kleine und größere neue Informationen oder auch nur Erwartungen über irgendwelche kursrelevanten Dinge schnell eingepreist werden. Finanzmärkte sind dann weniger “überraschbarer”, nehmen vieles vorweg. Wenn kleine kurzfristige Portfolioanpassungen aber unterbleiben, weil sie plötzlich durch die Steuer teuer sind, werden sie erst dann vorgenommen, wenn ein Asset deutlich über- oder unterbewertet erscheint. Dann sind die Kursausschläge entsprechend größer. Außerdem wird das gesamte tägliche Handelsvolumen erheblich eingeschränkt. Das bedeutet nichts anderes, als dass diese Assets weniger liquide sind: es wird schwieriger, Tauschpartner zu finden. Das ist nicht gerade von Vorteil für das reibungslose Funktionieren eines Marktes. Wenn wenig am Markt getauscht wird, dann können im übrigen schon die Trades einiger weniger den Preis beeinflussen. Es ist also keineswegs klar, dass die Volatilität kleiner wird. Es ist übrigens auch eine Funktion des Hochfrequenzhandels als market maker zu fungieren: das Asset bleibt stets liquide, praktisch jeder trade, der aufgrund neuer Informationen jemandem notwendig erscheint, kann auch durchgeführt werden.
Liegen die Prise dann näher am Fundamentalwert? Gibt es weniger “Übertreibungen”? Dazu müsste man wissen, was denn der “Fundamentalwert” eines Assets ist. Bei Aktien wird genre der abdiskontierte Gegenwartswert der zukünftigen Gewinne als fundamentaler “Wert” der Unternehmung postuliert. Aber die zukünftigen Gewinne kennen wir nicht, d.h. faktisch sind es erwartete Gewinne, also spielen Millionen von individuellen, jeweils informationsgetriebenen Erwartungen der AnlegerInnen eine Rolle. Bei festverzinslichen Wertpapieren spiegeln die effektiven Renditen (und damit die Preise der Papiere) u.a. das Ausfallrisiko wider. Auch dieses ist nicht objektiv gegeben, sondern ist erwartungsabhängig. Über die Entwicklung von “Blasen” und deren “Platzen” kann ein jeder schwadronieren – insbesondere dann, wenn man keine Ahnung vom Fundamentalwert hat, obgleich die starke Abweichung von eben diesem eine Blase definiert.
Wird Finanzstabilität gesichert? Für viele Menschen vermitteln volatile Kurse den Eindruck von “Instabilität”. Wenn sich Preise finanzieller Assets dagegen in ruhigen Bahnen bewegen, glaubt man, das Finanzsystem sei stabil. Das ist ein gefährlicher Irrtum. Finanzakteure haben Kenntnisse und Mittel, wie man mit Volatilität umgeht, sie ist nicht per se ein Problem. Auch aus diesem Grund gibt es Finanzderivate wie z.B. options, um Risiken aus der Kursentwicklung eingrenzen (“hedgen”) zu können. Wenn ÖkonomInnen von Finanzstabilität sprechen, so meinen sie eigentlich, dass das gesamte Finanzsystem, insbesondere die Banken mit ihren Einlagen der Kunden, nicht durch sich ausbreitende Schocks ins Wanken kommt. Das hat etwas mit der Art der Regulierung auf die Mikroebene einzelner Banken, vor allem aber auch mit makroprudenzieller Regulierung zu tun. Die Netzwerkstruktur der Finanzinstitute untereinander spielt ebenso eine Rolle wie die Identifikation sog. “systemischer” Risiken. Kurzfristige Kursschwankungen hingegen spielen hierbei keine besondere Rolle.
“Statt normaler Aktien sollte man doch lieber diese ‘Zockerinstrumente’ wie z.B. Derivate besteuern”. Das hört man häufig gerade von denjenigen, die wenig bis gar nichts von Derivaten verstehen. Die nicht wissen, was eine put option ist oder was der Sinn von asset backed securities ist. Natürlich gibt es auch Finanzprodukte und Finanztechnologien, die fragwürdig sind, und die am Ende (systemisch) mehr Schaden als Nutzen bringen. Das ist dann aber eine Frage der Regulierung und der Zulassung zum Handel, nicht eine Frage der Besteuerung. Und bei der Beantwortung dieser Frage würde ich mich wohler fühlen, wenn das ExpertInnen täten, die davon Ahnung haben. Wenn man z.B. eine Solaraktie kauft, weil man darauf spekuliert, dass dieser Markt künftig boomen wird, das Geld aber nächstes Jahr braucht und man nicht weiß, ob nicht ausgerechnet dann der Kurs zufällig sehr niedrig ist, könnte man dieses Risiko durch das käuflich zu erwerbende Recht absichern, die Aktie zu diesem späteren Zeitpunkt X zu einem schon heute vereinbarten Preis an die Marktgegenseite zu verkaufen. Mit anderen Worten: Wer das Spekulationsrisiko gerade begrenzen will, kann sich eine put option kaufen, sprich: ein Derivat. Wer heute viel in die Aussaat und Pflege von Mais investiert, ohne zu wissen wie hoch der Maispreis im September sein wird, wenn der Mais geerntet wird, kann ebenfalls eine solche put option, sprich: ein Derivat kaufen, um dieses unternehmerische Risiko abzusichern. Wenn eine Bank langfristige Kredite in der Bilanz hat, die vermutlich ausfallbedroht sind, und das Risiko, ob alle oder Teile komplett oder teilweise ausfallen, zu heikel ist, könnte sie die Ansprüche bündeln und verbriefen und weiterverkaufen als asset backed securities an jemanden, der sich etwas mehr Risiko im Portfolio leisten kann oder über bessere Hedgingmöglichkeiten verfügt als die Bank. Kollektiv gesehen wäre das eine bessere Risikoallokation. Zudem wird durch die erhöhte Liquidität aufgrund potenzieller Verbriefbarkeit die Kreditvergabe attraktiver (Senkung Liquiditätsprämien). Die Beispiele zeigen, dass Derivate durchaus kluges Risiko- und Liquiditätsmanagement erleichtern können und insofern auch für das genaue Gegenteil von “Zocken” stehen können.
“Diese Mini-Transaktionssteuer, die erst 10 Jahre nach der Finanzkrise kommt, reicht bei weitem nicht aus, um die Verursacher der Krise an den Kosten der Finanzstabilität zu beteiligen.” Auch da geht manches durcheinander. Der ursprüngliche Zweck einer Finanztransaktionssteuer war es, kurzfristige spekulative Trades unrentabel zu machen in der Hoffnung, dass dadurch mehr Ruhe in die Märkte kommt, d.h. die Volatilität abnimmt, und spekulative Übertreibungen nicht so schnell den Preis vom Fundamentalwert wegtreiben. Der Zweck war explizit nicht eine hohe Ergiebigkeit der Steuer, um damit anderweitige Aufgaben zu finanzieren. Wenn man dauerhaft nennenswerte Steuereinnahmen generieren möchte, dann sollte man dafür keine Steuer verwenden, deren wesentlicher Effekt es ist (und sein soll), die eigene Steuerbemessungsgrundlage zu erodieren (hier: die Anzahl der Trades). Das ist sinnbefreit. Ganz generell ist es fragwürdig, mit Lenkungssteuern dauerhafte Aufgaben zu finanzieren, denn wenn der Lenkungseffekt erfüllt ist, sollten die Steuereinnahmen minimal werden.
Die Beteiligung des Finanzsektors an der Finanzierung von Finanzstabilität wird bereits anderweitig realisiert. Zum einen gibt es höhere Eigenkapitalanforderungen, zum anderen gibt es Beiträge für Fonds, aus denen Finanzhilfen im Fall von Schieflagen bezahlt werden sollen, ohne dafür den Steuerzahler bemühen zu müssen. Das hat mit der Transaktionssteuer nichts zu tun. Zudem ist Finanzstabilität nur zu einem (geringeren) Teil eine Frage irgendwelcher zu finanzierender Fonds, sondern vor allem eine Frage einer besseren Regulierung und Finanzaufsicht. Hier hat sich bereits vieles getan, auch wenn man da noch nicht alle diskutierten Möglichkeiten ausgeschöpft hat, Stichwort: Bankenunion, europäische Einlagenrückversicherung, Eigenkapitaldeckung auch für Staatsanleihen. Wer dennoch den Finanzsektor stärker zur Kasse bitten, die “Kleinanleger” aber schonen möchte, sollte sich die Financial Acitivity Tax als Alternative anschauen sowie die weiteren Vorschläge des Internationalen Währungsfonds. Die Finanztransaktionssteuer ist da nicht das Mittel der Wahl.
Ich wünsche mir eine informierte Debatte, in der Begriffe wie Spekulation, Derivate, Hochfrequenzhandel, Hedging, nicht suggestiv auf Ressentiments der Zuhörer setzen, die in der Regel davon wenig bis keine Ahnung haben. Eine Debatte, in der Ziele und Zielkonflikte klar benannt sind (“gegen Spekulation” impliziert keineswegs “mehr Finanzstabilität”, und “Lenkungswirkung erzielen” und “ergiebige Steuereinnahmen erzielen” passen nicht recht zusammen). Eine Debatte, wo nicht auf laienhafte Intuition bei den Wirkungsmechanismen, sondern auf Theorie und empirische Evidenz gesetzt wird. Und bitte nicht immer “den Kleinsparer” oder “den Mittelstand” oder “den Normalverdiener” wie ein nicht angreifbares moralisches Schutzschild vor sich hertragen, wenn es keine Evidenz dafür gibt, dass diese besonders betroffen sind. Ich habe Zweifel, ob man dann zu dem Schluss kommen wird, dass eine Finanztransaktionssteuer überhaupt ein zielführendes Instrument ist. Es soll ja schließlich um effiziente Erreichung klar definierter Ziele gehen, und nicht darum, ein seit Jahrzehnten propagiertes Instrument um seiner selbst willen zum Durchbruch zu verhelfen. Ich denke, dass es viel wichtigere Baustellen auf dem Weg zu Finanzstabilität und relativ wenig Bedarf an neuartigen Steuereinnahmen gibt.