Nach dem vielerorts zu Recht als unambitioniert kritisierten Klimapaket der Großen Koalition legen die Grünen ihre Vorschläge vor, die auf dem Parteitag im November 2019 beschlossen werden sollen. Bezüglich der Ziele, des konkreten CO2-Preises und vieler begleitender Maßnahmen wird es mit Sicherheit ein deutlich ambitionierteres Maßnahmenpaket als das der Regierung sein. Gleichzeitig soll es auch das wirtschaftspolitische Image der Grünen schärfen, da auch sie auf das marktkonforme Instrument der CO2-Bepreisung, auf Innovationen sowie unterstützende industriepolitische Maßnahmen setzen. Die umfangreichen Maßnahmen sind eingebettet in die ordnungspolitische Vorstellung einer “ökologisch-sozialen Marktwirtschaft”. So weit, so gut. Bei näherem Hinsehen zeigen sich aber Brüche, die Thema dieses Beitrags sind. Ich beziehe mich dabei auf Positionen, die man in unterschiedlichen Medien und öffentlich zugänglichen Positionspapieren und Leitanträgen nachlesen kann.
Dreh- und Angelpunkt einer marktwirtschaftlichen Klimastrategie ist die Internalisierung externer Effekte durch Einführung von CO2-Preisen. Dies kann einerseits durch eine Mengensteuerung geschehen, wie das beim Emissionszertifikate-Handel (ETS) der Fall ist, bei dem sich der Preis endogen am Markt ergibt. Ein solches ETS gibt es derzeit schon bei der Energieerzeugung und in ausgewählten Industriebranchen sowie dem innereuropäischen Flugverkehr. Oder man gibt wie bei der CO2-Steuer einen Preis vor und erhält durch Substitutions- und technologische Anpassungsprozesse die angestrebte CO2-Mengenreduktion. In beiden Fällen sind begleitende Maßnahmen erforderlich, um zum einen Substitutionsmöglichkeiten im Bereich der Infrastruktur zu schaffen (z.B. ÖPNV-Kapazitätsausbau), und zum anderen um Innovationen und Wechsel hin zu klimafreundlichen Technologien anzuregen, z.B. durch Förderprogramme, aber auch z.B. durch das Verbot von Ölheizungen bei Neubauten ab 20XX. Gegnern solcher “Verbotspolitik” ist oft nicht klar, dass manchmal erst solche command-and-control Maßnahmen Ingenieure vor neue Probleme stellen, die sie dann durch Innovationen lösen. Diese ergänzenden Maßnahmen sind im Fall einer CO2-Steuer sogar notwendig, um eine deutliche Verhaltens- und somit Emissionsmengenänderung zu induzieren. Bei der Zertifikatslösung würde die Mengenänderung hingegen erzwungen werden. Hier haben die begleitenden Maßnahmen den Zweck eines möglichst sanften Übergangs, ohne dass es zu extremen Preiseffekten und brachialen Anpassungsproblemen kommt.
Nun entwickeln die Grünen aber ein außerordentlich komplexes Maßnahmenbündel, welches sowohl auf einer CO2-Steuer basiert (genau genommen ist nur von einem staatlich gesetzten Preis die Rede), als auch einer teilweisen Ausdehnung des ETS sowie zusätzlich sektorspezifischer Ziel- und Quotenvorgaben, zahlreicher ordnungsrechtlicher Regulierungen, und noch zahlreicherer Förder- und Investitionsmaßnahmen, z.T. mit Quersubventionierungseffekten. Sie bezeichnen dies als “klugen Mix” aus Maßnahmen, doch es steht zu befürchten, dass das Wirrwar von sich z.T. überlappenden Maßnahmen und die nicht gewährleistete Einheitlichkeit eines sektorübergreifenden CO2-Preises das Ziel nur zu unnötig hohen volkswirtschaftlichen Kosten erreicht, und ein Controlling, ob die Maßnahmen effektiv sind und das ganze Programm kosteneffizient ist, praktisch unmöglich ist – ein Fehler, den der Bundesrechnungshof schon bei der Energiewende heftig gerügt hat.
Allein ein deutlicher CO2-Preis würde erhebliche Anpassungseffekte auslösen, nicht nur im Verhalten von Haushalten und Firmen, sondern auch bezüglich der Investitionen in klimaschonende Technologien und der entsprechenden Ausrichtung von Forschung und Entwicklung. Das Vertrauen in diese marktwirtschaftlichen Anpassungsprozesse scheint aber eher gering zu sein, wenn man meint, sie durch ein äußerst kleinteiliges sektor- und technologiespezifisches Maßnahmenbündel und staatliche Vorgaben ergänzen zu müssen. Zudem erscheint mir das Gesamtpaket teilweise inkohärent zu sein, u.a. weil es auf Missverständnissen bezüglich der Funktionsweise marktwirtschaftlicher Instrumente beruht.
Es wird zum einen vorgeschlagen, das ETS auf weitere Bereiche auszudehnen wie z.B. weitere Industriesektoren, den außereuropäischen Flugverkehr sowie den Schiffsverkehr. Von einer Ausdehnung des Systems auf grundsätzliche alle Sektoren (Energie, Wohnen, Industrie, Verkehr, Landwirtschaft) ist dagegen nicht die Rede. Hier setzt man lieber auf eine CO2-Steuer. Nun ergibt sich dadurch aber das grundsätzliche Problem unterschiedlicher CO2-Preise in ETS- und non-ETS-Sektoren, welches nur unzureichend angegangen wird. Dies wirkt verzerrend und führt zu Ineffizienzen, da CO2 nicht automatisch dort eingespart wird, wo es die geringsten Kosten verursacht. Dem Klima ist es völlig egal, wo das CO2 eingespart wird, der Volkswirtschaft aber nicht. Anders als im Vorschlag des SVR wird die CO2-Steuer nicht als Instrument in einer Übergangsphase hin zu einem umfassenden ETS betrachtet, sondern als dauerhaft paralleles Instrument. Wenn man dann aber tatsächlich einen einheitlichen CO2-Preis erreichen würde (etwa indem in ETS-Sektoren nur die Differenz zwischen Steuersatz und Zertifikatspreis als Steuer erhoben wird), dann entfällt der Sinn des ETS, einen adäquaten Marktpreis bei vorgegebener Emissionsreduktion zu finden.
Nun gut, wenn man auf den eigentlich aus ökologischer Sicht ungeheuren Vorzug des ETS verzichten möchte, den CO2-Mengenreduktionspfad so definieren zu können, dass das CO2-Budget nicht überschritten wird und Klimaneutralität im Zieljahr 2050 erreicht wird, kann man ja auf eine reine Preissteuerung per CO2-Steuer setzen. Da hier die Mengenwirkung aber ungewiss ist, wird dann jedoch per Quotenregelung und sektorspezifischen Reduktionszielen nachgeholfen. Das klingt eher nach sowjetischem 5-Jahres-Plan. Wenn man der Preiswirkung nicht traut und relativ detailliert in einzelwirtschaftliche Mengenentscheidungen eingreift, dann könnte man eigentlich gleich auf das ETS setzen, welches viel einfacher und zuverlässiger die Mengenreduktion erreicht. Gleichzeitig Preise und Mengen staatlich zu regulieren, ist eine Chimäre. Nochmal: dem Klima ist es egal, wann wieviel in welchen Sektoren eingespart wird, solange die akkumulierten Emissionen nicht das verbliebene CO2-Budget überschreiten, was eigentlich das übergeordnete Leitprinzip sein sollte. Quoten, zum Beispiel für Elektroautos, setzen zum einen voraus, dass der Staat weiß, welche Technologien langfristig sinnvoll sind, und dass eine Einsparung z.B. im Bereich des Individualverkehrs sinnvoller ist als z.B. eine noch ambitioniertere Einsparung per Gebäudesanierung. Oder in der Landwirtschaft. Oder in der Stahlindustrie. Jedoch: das wissen wir nicht. Unter keinen Umständen darf der Markt aber selbst herausfinden, wo man am schnellsten und am preiswertesten einspart, dafür scheint das in der Grünen-DNA verankerte Misstrauen gegenüber Märkten noch zu groß zu sein, auch wenn die Rhetorik deutlich marktwirtschafts-freundlicher geworden ist.
Es finden sich Vorschläge, die auf Quersubventionierung hinauslaufen: Wer Technologie A verwendet, muss eine Abgabe zahlen, mit der die Nutzung der klimafreundlichen alternativen Technologie B gefördert wird. So etwas kann sinnvoll sein, wenn Technologie B noch in den Kinderschuhen steckt, und man durch Stimulierung der Nachfrage starke Skaleneffekte und so Kostendegressionseffekte hervorrufen kann wie das z.B. im Bereich der Photovoltaik geschehen ist. Die Schattenseite ist jedoch, dass die Extrakosten, die der Technologie A neben dem CO2-Preis auferlegt werden, faktisch die Emissionen stärker verteuern als in anderen Sektoren, der CO2-Preis also nicht mehr einheitlich ist. Zudem bilden solche und ähnliche Vorschläge ein kaum überschaubares Geflecht von Abgaben einerseits und Fördertöpfen andererseits, was das Controlling enorm erschwert (siehe oben). Es wäre ja möglich, dass allein der steigende CO2-Preis die Substitution von A durch B bewirkt, ohne das an allen Ecken und Enden mit Extramaßnahmen nachgeholfen werden muss. Falls nicht, so könnte das ganz schlicht daran liegen, dass der CO2-Preis noch zu gering ist.
Eine CO2-Steuer wird vom Staat festgelegt. Hier sind die Vorschläge der Grünen deutlich progressiver als beim Klimapaket der GroKo, bleiben aber dennoch hinter anderen Ländern (Schweiz, Schweden), Vorstellungen von Wissenschaftlern (UBA oder als “neoliberal” geltenden Ökonomen), Aktivisten (FFF) und sogar der Industrie (VDMA) zurück. Interessant ist, dass man auch bei den ETS-Sektoren, da die Einheitlichkeit des Preises nun mal nicht gewährleistet ist, zumindest regulatorische Preiseingriffe vorsieht, konkret: Mindestpreise für Zertifikate, “um die Anreizwirkung aufrecht zu erhalten”. Ob es sich um den Preis beim initialen Verkauf bzw. Versteigerung der Zertifikate auf dem Primärmarkt, oder einen regulatorischen Eingriff auf dem Sekundärmarkt handelt, bleibt etwas unklar; ich gehe von Letzterem aus. Diese Mixtur aus Preis- und Mengenvorgaben führt nicht nur zu adversen Anreizeffekten. Die Begründung zeugt auch von einem Missverstehen dieses Instrumentes: Es bedarf beim ETS keines speziellen “Anreizes” zur Reduktion von CO2, denn diese wird durch den jährliche Cap staatlich vorgegeben! Wenn der Marktpreis nun nicht weiter sinken kann als der verordnete Mindestpreis, so kommt es an dieser Grenze zu einem künstlich erzeugten Angebotsüberschuss nach Zertifikaten und dementsprechend zu Rationierungseffekten. Firmen, die CO2 eingespart haben und nun ihr Zertifikat nicht mehr benötigen, finden ggf. keinen Käufer zum Minimalpreis, der oberhalb des Gleichgewichtsniveaus liegt. In der Nähe des Minimalpreises könnte daher der Anreiz CO2 einzusparen sogar zurückgehen um nicht eventuell auf der rationierten Marktseite zu stehen. Es ist damit zu rechnen, dass das Überschussangebot von Spekulanten zum Minimalpreis aufgekauft wird in der Erwartung auf Preissteigerungen während der Laufzeit der Zertifikate. Wird diese Erwartung erfüllt, ziehen diese Spekulanten Renten aus dem Markt, die ihnen der Gesetzgeber ermöglicht hat. Man kann allenfalls argumentieren, dass der Anreiz auf klimafreundliche Technologien umzustellen, dadurch ausgelöst wird, dass man sich den künstlich erzeugten Dysfunktionalitäten des ETS-Marktes entziehen möchte. Das wäre allerdings eine recht perverse Argumentation. Wenn der Börsenpreis politisch als zu niedrig empfunden wird, könnte der Staat ja auch ganz einfach ETS kaufen und stilllegen, um den Preis zu stabilisieren.
Auch gesonderte Maßnahmen, welche europäische Inlandsflüge teurer machen sollen, um den Verkehr z.B. auf die Schiene zu bringen, sind gut gemeint, zeigen aber, dass das ETS nicht richtig verstanden wird: Sind die Maßnahmen erfolgreich, d.h. reduziert sich der innereuropäische Flugverkehr (bzw. bei der geplanten Ausdehnung des ETS: der Flugverkehr insgesamt), so sinkt die Nachfrage der Fluglinien nach Zertifikaten, deren Preis dann fällt und von anderen Emittenten (z.B. Kohlekraftwerken?) gekauft und verwendet wird. An den Emissionen ändert sich konstruktionsbedingt nichts. Ähnlich ist auch der Irrglaube, durch Verbot von Inlandsflügen würde CO2 eingespart: Die erlaubten Emissionen fallen dann woanders an. Man könnte hier jedoch wieder regulatorisch eingreifen und diejenigen Zertifikate, die durch die Flugpreis-erhöhenden Maßnahmen induzierte Verhaltensänderung nicht mehr nachgefragt werden, staatlicherseits vom Markt nehmen/kaufen. Angesichts dieser irrsinnig komplizierten Konstruktion, welche die Logik des ETS ohnehin völlig außer Kraft setzt, hätte man dann lieber für dessen Abschaffung und Ersatz durch komplexe Bepreisungsregeln plädieren sollen.
Was die Investitionen in klimafreundliche Technologien betrifft, so scheinen die Grünen trotz des deutlich höheren CO2-Preises als im GroKo-Klimapaket kaum Hoffnung zu haben, dass dies private Investitionen in erheblichem Umfang auslöst. Der Fokus liegt nämlich klar auf staatlicher Förderung privater Investitionen sowie auf Investitionen durch den Staat selbst. Schon jetzt scheinen viele Unternehmen erheblich progressiver zu sein als die derzeitige Regierung. Mit ambitionierten Zielen für die klimaneutrale Produktion von Autos oder Stahl, mit einem vorgeschlagenen CO2-Preis von 110 Euro/Tonne (VDMA) und vor allem mit entsprechenden Investitionen gehen einige Firmen voran, obwohl es derzeit noch gar keine wirklich wirksame Klimapolitik gibt. Ob man tatsächlich einen so komplexen und voluminösen fiskalischen Instrumentenkasten braucht, wie es die Vorstellungen der Grünen nahelegen, werden wir sehen. Selbstverständlich sind staatliche Investitionen und Förderungen wichtig. Aber es werden mit keinem Wort positive Erwartungen bezüglich des privaten Engagements ausgesprochen oder gar Abschätzungen von Größenordnungen. Das ist aber nicht unwichtig um diesbezügliche Staatstätigkeit ökonomisch begründen zu können.
Auch die gut gemeinte Einführung von “Preiskorridoren” um stabile Erwartungen bezüglich der CO2-Preisentwicklung im ETS zu generieren, ist kritikwürdig. Wie oben beim Minimalpreis angesprochen, so gibt es auch bei einem Maximnalpreis adverse Anreizeffekte (künstliche Rationierung der Nachfrageseite; Firmen, die sich nicht rechtzeitig mit Zertifikaten eingedeckt haben und nun durch staatliche Verordnung rationiert werden, können nicht produzieren. Es kommt quasi einem Produktionsverbot gleich). Nur wenn man damit rechnet, dauerhaft rationiert zu werden, lohnt sich zu überlegen in klimaneutrale Technologien zu investieren, weil man dann keine Zertifikate nachfragen muss. Auch hier liegt der “Anreiz” darin, sich den künstlich erzeugten Dysfunktionalitäten des Marktes zu entziehen. Fraglich ist jedoch, ob das dann diejenigen Firmen sind, bei denen der Technologiewechsel auch am wirtschaftlichsten ist. Das zu gewährleisten war aber der Sinn des ETS. Warum sollte die Stabilisierung der Preiserwartungen so wichtig sein, dass sie regulatorische Eingriffe rechtfertigt, die den Preismechanismus außer Kraft setzen? Unternehmen sind in einer Marktwirtschaft durchaus gewohnt, langfristige Investitionsentscheidungen zu treffen, obwohl Rohstoff- und Güterpreise schwanken. Zudem gibt es Terminmärkte für Zertifikate sowie andere Hedginginstrumente, so dass Risikomanagement auch ohne staatliche Assistenz möglich ist. Würde man im ETS die jährlichen Caps so festlegen, dass planbar im Jahr 2050 so gut wie keine Emissionsrechte mehr vorhanden sein werden, kann sich jeder Investor an fünf Fingern abzählen, dass demnächst fossile Investitionen mit einem Zeithorizont von ein paar Jahrzehnten (z.B. die neue Ölheizung) sich wohl schwerlich amortisieren werden.
Ein Kernpunkt, auf den die Grünen besonders stolz sind, ist die Entlastung der Haushalte dergestalt, dass ärmere Haushalte durch die CO2-Bepreisung nicht nur nicht belastet, sondern unter dem Strich sogar entlastet werden. Zum einen soll die Stromsteuer auf ein Minimum gesenkt werden, und vor allem sollen die Bürger pro Kopf ein “Energiegeld” erhalten, welches den Kaufkraftverlust ihres Einkommens durch die CO2-Preisüberwälzung kompensiert. Wer unterdurchschnittlich viel CO2 emittiert – und dies sind vor allem die ärmeren Haushalte aufgrund des geringeren Konsums – profitiert sogar. Das ist im Kern ein sehr guter Ansatz. Nun ist von einem anfänglichen CO2-Preis von 40 Euro/Tonne die Rede und einem Energiegeld von 100 Euro pro Person und Jahr. Zu bedenken ist, dass offenbar nur die Einnahmen der Steuer an die Bürger teilweise zurückgegeben werden soll, während das bei den Einnahmen aus dem Zertifikatsverkauf nicht der Fall zu sein scheint. Bei derzeit etwa 9 Tonnen CO2 pro Person und Jahr ist ein Energiegeld von 100 Euro allerdings nur eine sehr mäßige Rückerstattung, falls man von einer weitgehenden Überwälzung der Kosten ausgeht. Bei der Nachbesteuerung von CO2 bei importierten Gütern (“border carbon adjustment”) wird denn auch gleich gesagt, dass dies zur Teilfinanzierung der zahlreichen vorgeschlagenen “Fonds” dient, die alles mögliche bezüglich der “ökologischen Transformation” fördern sollen. Deutlich radikaler, aber auch schlüssiger und für die Bürgern glaubwürdiger wäre es, wenn alle Einnahmen aus der Internalisierung externer Kosten (CO2-Steuer, Einnahmen aus dem Verkauf der Zertifikaten, nachgelagerte Besteuerung an der Grenze) ohne weitere fiskalische Budgetwirkungen unmittelbar an die Bürger zurückgegeben werden (sowie Ausgleich für die Exporteure, denn dort tragen nicht die inländischen Haushalte, sondern ausländische Kunden die Steuerlast mit, und die heimische Firma würde sonst Wettbewerbsverluste erleiden). Den fiskalischen Begehrlichkeiten des Staates sollte dies entzogen sein. Sein Budget einschließlich der ganzen Klima-Förderprogramme sollte sich vorwiegend über Steuern finanzieren, die nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip erhoben werden. Die Höhe der Kompensation, also das “Energiegeld”, ist dann eine Steuerrückerstattung, deren Höhe nicht feststeht, sondern die sich aus der Preis- und Mengenentwicklung ergibt. Die Bürger müssen nicht bloß hoffen, dass die 100 Euro Energiegeld ausreichen um ihre Mehrausgaben zu kompensieren, sie wissen, dass sie (fast) alles zurückbekommen und zwar automatisch. Eine solche fiskalische Regelbindung wäre innovativ gewesen, besonders für die Grünen, die bislang eher für weitere fiskalische Ermächtigungen des Staates stehen, wie sich auch am vorliegenden Konzept zeigt. Immerhin ist das Energiegeld wesentlich überzeugender als die Erhöhung der Pendlerpauschale.
Zwar werden auf dem Parteitag im November auch Positionen bezüglich Globalisierung und internationaler Handelspolitik beschlossen. Es wäre sinnvoll gewesen deutlich zu machen, dass dieses Politikfeld ein integraler Bestandteil der Klimapolitik ist. Man hätte klar konzedieren können, dass Deutschland lediglich etwa 2% zur Emission von Treibhausgasen beiträgt und selbst der Anteil Europas moderat und zudem rückläufig ist. Umso entscheidender ist es, wenn man hier Instrumente, Wissen und Fähigkeiten entwickelt, wie man hohen Wohlstand mit weniger und schließlich ohne fossile Inputs erzeugen kann. Dann kann man die starke Position im Welthandel nutzen, um auch andere Länder (Handelspartner) dazu zu bringen sich auf eine Dekarbonisierungstategie zu verpflichten, und um das entsprechende technologische Know-How zügig zu verbreiten. Dies kann dem Klima sehr viel mehr bringen als nationale Erfolge. Gelänge durch kluges Design von Handelsverträgen und Wissenstransfer die Emissionen allein in China lediglich um 5% zu reduzieren, wäre das mehr als eine 60%-ige Reduktion in Deutschland. Handelsverflechtungen können via Handelsverträge ein mächtiges Vehikel für eine Globalisierung von Klimapolitik sein, und sollten deshalb im Klimaprogramm prominent herausgestellt werden. Hier ist noch viel Luft nach oben.
Alles in allem ist das Klimaprogramm der Grünen deutlich ambitionierter und detaillierter als das GroKo-Paket, von einem Grundverständnis marktwirtschaftlicher Prozesse ist es trotz ständiger anderslauternder Rhetorik nur sehr bedingt getragen. Der Fokus liegt nicht nur auf dem “regulatorischen Rahmen”, den eine sozial-ökologische Marktwirtschaft braucht, wie immer wieder betont wird, sondern auf z.T. sehr detaillierten Eingriffen in Preis-, Mengen- und Technologieentscheidungen, welche die Marktmechanismen nicht bloß “in richtige Bahnen lenken”, sondern partiell außer Kraft setzen. Die Konsequenz wird sein, falls es denn mit der Einhaltung der Klimaziele überhaupt klappt, es unnötig teuer werden wird. Insbesondere wird der Charme der ökologischen Treffsicherheit eines gut ausgestalteten ETS eher achtlos an der Seite liegen gelassen. Dieses Instrument wirkt auf viele Grüne vermutlich doch zu “neoliberal”. Auch deswegen ist der Weg zu einer wirklich wirtschaftskompetenten Partei, die ihren eigenen Anspruch des ordnungsökonomischen Konzeptes einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft gerecht wird, doch noch ein Stückchen weiter als viele in der Partei glauben.