Die Rede von der “guten Balance zwischen Ökonomie und Ökologie”

Diese Sentenz findet sich häufig in der politischen Debatte. Sie soll Ausgewogenheit, Realismus und Kompromissbereitschaft signalisieren. Man nimmt ökologische Ziele durchaus sehr ernst, sieht aber auch ökonomische Realitäten und versucht eine vernünftige Abwägung, da man ja auch an Dinge wie Wettbewerbsfähigkeit, Jobs, soziale Ausgewogenheit und dergleichen denken müsse. Schließlich müsse ja alles, was man “für die Umwelt” tue, ja auch “finanziert” werden.

Mich wundert, dass solche Sichtweisen als Ausweis wirtschaftlicher Vernunft gelten, denn sie beruht auf einer Konfusion von Ziel und Mittel (Restriktionen) und infolgedessen einem Fehlverständnis von Güterabwägung und Effizienz. Die Umwelt ist nicht Ziel, sondern Mittel. Wirtschaftliche Prozesse welcher Art auch immer können auf Dauer nur stattfinden, wenn sie ökologische Restriktionen respektieren. Eine zeitlang kann man diese Restriktionen überschreiten, also mehr Ressourcen extrahieren oder die Umwelt als Senke für Emissionen aller Art verwenden als nachhaltig ist, aber eben nicht auf Dauer. Hinsichtlich des Klimas wird überdeutlich, dass das Ende der tolerierbaren Überschreitung ökologischer Restriktionen gekommen ist. Klima- und Umweltschutz sollten deshalb gerade nicht als Ziel unter mehreren anderen Zielen angesehen werden, sondern als Bestrebung, wirtschaftliche (und andere) Ziele innerhalb und nicht außerhalb der ökologischen Restriktionen zu erreichen. Letztere können wir uns nicht aussuchen. Wenn beim Einkaufen im Supermarkt an der Kasse das Geld nicht ganz reicht, wird man sich auch nicht damit rausreden können, der/die Kassierer/in müsse doch einsehen, dass man eine “ausgewogene Balance” zwischen seinen Konsumwünschen und dem (nicht) vorhandenen Geld im Portemonnaie anstrebe.

Es ist deshalb logisch-konzeptionell schwer nachvollziehbar, was denn ein “Kompromiss” zwischen ökonomischen und ökologischen Zielen, oder ein “Ausgleich von Ökonomie und Ökologie” sein soll. Es ist eine wohlklingende Phrase, von der ich mir wünsche, dass sie ihr Ziel, ökonomische Kompetenz zu signalisieren, verfehlt.

Solange die Menschen wirtschaftliche Ziele schon seit vielen Jahrzehnten auf eine Art und Weise erreichen, die ökologisch nicht nachhaltig ist, sie also quasi ökologisch “auf Kredit” wirtschaften, ist das Jammern über die hohen “Kosten des Umwelt- und Klimaschutzes” unverständlich. Die enormen akkumulierten externen Kosten der Vergangenheit plus die abdiskontierten zukünftigen externen Kosten – also die Kosten des unterlassenen Umwelt- und Klimaschutzes – stellen alles in den Schatten, was auch die ambitioniertesten Klimaschutzprogramme an Ausgaben erfordern. Da sich diese gewaltigen externen Kosten aber bislang fast nicht in den Preisen widergespiegelt haben, hat sich eine Illusion von Wohlstand aufgebaut. Jetzt geht es bildlich gesprochen an die Rückzahlung des ökologischen Kredites und das Geschrei ist groß. Natürlich ist es völlig richtig, dass man zur Einhaltung der Klimaschutzziele ökonomisch “effizient” vorgehen sollte, aber das fällt der Menschheit nun reichlich spät ein. Für eine intertemporal effiziente Strategie hätte man spätestens vor 50 Jahren anfangen sollen.

Entkopplung wirtschaftlicher Aktivität vom Umweltverbrauch, massiver technologischer und struktureller Wandel, Veränderung von Konsummustern usw., möglicherweise auch der eine oder andere Verzicht, falls das mit dem technischen Fortschritt und der Entkopplung nicht so schnell klappt wie es nötig wäre, all das kann man ja auch als “sportliche Herausforderung” sehen denn als ökonomische Bedrohung, um den ökologischen Überziehungskredit (ökolog. Fußabdruck größer als biologische Kapazität) abzubezahlen – kurz bevor der Insolvenzverwalter klopft.