Die Mietpreisbremse, das Bestellprinzip und die Makler

Über den Sinn und die nicht ganz unstrittigen Anreizwirkungen der Mietpreisbremse ist viel diskutiert worden, dies soll hier nicht wiederholt werden. Ein Baustein dieser rechtlichen Änderung der Spielregeln ist, dass derjenige, der den Makler bestellt, diesen auch bezahlt (Bestellprinzip). In den allermeisten Fällen dürfte dies der Vermieter sein. Die Makler laufen nun dagegen Sturm, wollen gerichtlich dagegen vorgehen, da sie dies als einen Eingriff in die Berufsfreiheit sehen, und sie befürchten – vermutlich zu Recht – einen deutlichen Rückgang der Inanspruchnahme ihrer Dienstleistung. Das aber ist nun für den Ökonomen sehr interessant.

Zuweilen kann es sehr kompiziert sein, wenn mehrere Anbieter eines heterogenen Gutes (wie z.B. Mietwohnungen) passende Nachfrager, und mehrere Nachfrager passende Anbieter finden wollen. Die Suche nach einem geeigneten „Tauschpartner“ benötigt Zeit und andere Ressourcen und unterliegt oft dem Problem asymmetrisch verteilter Informationen. Hier kann es sein, dass es nicht zu wechselseitig vorteilhaften Tauschhandlungen kommt, obwohl sie möglich wären, oder diese unverhältnismäßig hohe sog. Transaktionskosten hervorrufen, so dass sie nicht zustande kommen. Das ist ineffizient. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, dass ein Intermediär die Bühne betritt, hier also: der Makler. Er ist spezialisiert, verfügt über Informationsvorteile und kann ein passendes matching zu sehr viel geringeren Transaktionskosten herbeiführen. Einen Teil des dadurch zustande gekommennen Effizienz- bzw. Wohlfahrtszuwachses kann er als Gewinn für sich behalten, also einen Teil des größer gewordenen Kuchens. Alles wie im Lehrbuch, alles soweit prima.

Man darf sich allerdings die Frage stellen, ob die Annahme derartig hoher Informationsasymmetrien und Transaktionskosten heute noch erfüllt sind: Wohnungsportale im Internet, standardisierte Bonitätsprüfungen und Mietverträge etc. lassen daran zweifeln. Viele Mieter sind empört darüber, welche Summen Makler verlangen für eine minimale „Dienstleistung“. Der Umstand allein, dass Geld von A nach B fließt und nun Einkommen von B darstellt, wird zwar in der Statistik als Wertschöpfung ausgewiesen und erhöht das Bruttoinlandsprodukt. Dies würde aber eine buchungstechnisch erfasste Schutzgelderpressung auch, kurz: dies ist kein Beleg für einen ökonomischen Wohlfahrtsgewinn. Zudem ist auch noch zu bedenken, dass die wertvolle Arbeitskraft dieser Makler anderen produktiven Verwendungsmöglichkeiten entzogen wird: sie könnten ja auch in der Altenpflege oder auf dem Bau arbeiten.

Kommen wir zurück zu der Befürchtung, dass das Bestellprinzip die Nachfrage nach Maklerdienstleistungen deutlich verringern könnte, weil nun der Vermieter zahlen muss. Die Kosten, die eine Marktseite zu tragen bereit ist, darf – bei rationalem Handeln – deren Zusatznutzen aus einem zustande gekommenen Vertrag nicht übersteigen. Würde ohne Makler tatsächlich kein matching zustandekommen, dann dürften die Maklerkosten nicht höher sein als die Summe der (als Zahlungsbereitschaft ausgedrückten) Nutzenzuwächse beider Marktseiten zusammen, damit noch ein Effizienzgewinn vorliegt. Nun ist aber die Rede davon, dass die Vermieter künftig lieber selbst gewisse Transaktionskosten zu tragen bereit sind als die hohen Maklerkosten zu tragen. Was schließen wir daraus? Ihre individuellen Transaktionskosten sind also gar nicht soooo groß, dass die Nutzung eines Intermediärs aus Effizienzgesichtspunkten überhaupt nötig gewesen wäre. Da sich die Vermieter aber chronisch auf der „kurzen“ Marktseite befinden, konnten sie bislang sogar ihre geringfügigen Transaktionskosten einsparen, indem sie Makler beuftragten, deren Kosten sie auf den Mieter, die „lange“ Marktseite, abwälzen konnten. Da es nun aber offenkundig wird, dass ein matching auch ohne Makler möglich ist, wenngleich auch die Aufteilung des Wohlstandsgewinns anders ausfällt (etwas weniger für den Vermieter, mehr für den Mieter, nichts für den Makler), zeigt, dass die bisherige Maklertätigkeit keineswegs immer eine Transaktionskosten senkende und die Effizienz erhöhende Aktivität war, sondern eine reine Rentenextraktion zu Lasten der Mieter. Der Übergang, unter welchen Bedingungen einer Intermediärstätigkeit tatsächlich Effizienz und Wohlfahrt erhöht, und wann sie lediglich Vorteile umverteilt bzw. mehr Renten extrahiert als sie an Überschüssen erzeugt, sind oft unklar. In der Statistik erscheint immer alles als geschaffenes Einkommen, was zum BIP beiträgt. Die Wohlndsverluste durch vergeudete Ressourcen sieht man dagegen nicht. Insofern ist die Mietpreisbremse ein interessantes ökonomisches Feldexperiment: durch eine kleine Änderung im institutionellen Design werden nicht einfach die Vorteile und Kosten einer Aktivität neu verteilt, die Aktivität wird nun plötzlich gar nicht mehr nachgefragt und das wechselseitig vorteilhafte matching kommt trotzdem zustande. Wenn das mal nicht zu einer Art Lackmustest zum Aufdecken von Rentenextraktion und Ineffizienzen wird.

Nun hören Makler dies natürlich nicht gerne. Durch juristische Schritte wollen sie erreichen, dass alles so bleibt wie bisher. Vielleicht haben sie sogar damit Erfolg, denn die Rechtsprechung folgt nur der juristischen Logik und ist durch ökonomische Effizienz- und Wohlfahrtsüberlegungen nicht so leicht zu beeindrucken. Aber die Maklerverbände möchten sogar noch weiter gehen. Schon seit längerem ist es ihnen ein Dorn im Auge, dass sich Hinz und Kunz einfach als Makler niederlassen darf und so den Wettbewerbsdruck erhöht und die Margen schmälert. Sie hätten gerne künstliche Markteintrittsbarrieren in Gestalt von zu erwerbenden „Qualifikationen“ und Zertifikaten, welche die „Qualität“ ihrer „Dienstleistung“ für alle sichtbar gewährleisten sollen – ein wunderbares Lehrbuchbeispiel für rent-seeking. Alle beteuern, wie wichtig Markt und freier Wettbewerb seien, man selbst findet ihn aber lästig und unbequem und möchte seine Gewinnchancen davon nicht kaputtmachen lassen. Folglich nimmt man politischen Einfluss auf die Spielregeln, also das institutionelle Design der Märkte, die zu Markteintrittsbarrieren für potenzielle Wettbewerber oder zu deren preislichen Wettbewerbsnachteilen führen. Natürlich wird jede Änderung der Spielregeln (oder auch deren Beibehaltung wie im Fall des Kampfes gegen das Bestellprinzip) stets mit Allgemeinwohl oder anderen höheren Rechtsgütern, jedoch niemals mit blankem Eigeninteresse begründet, ist ja klar.

Nebenbei: Es gibt natürlich auch Gebiete, in denen ein wechselseitig vorteilhaftes matching von Angebot und Nachfrage tatsächlich sehr schwierig ist, etwa wenn man Investoren für die Entwicklung größerer Bauprojekte oder (Ver-) Käufer für Industriebrachflächen etc. finden will. Keine Frage, dass in solchen Fällen die Tätigkeit von Maklern volkswirtschaftlich sehr nützlich sein kann. Aber bei Mietwohnungen?